Trierer Polizeichef will sich mit Ultras treffen

Trier · Zwischen den Trierer Ultras und der Polizei scheint das ohnehin angespannte Verhältnis auf einem neuen Tiefpunkt angelangt zu sein. Grund ist der angebliche Anwerbeversuch eines Spitzels aus der Fanszene des Fußballregionalligisten Eintracht Trier. "Hat es nie gegeben", sagt Kriminaldirektor Norbert Hausen, der nach eigenen Angaben selbst ein großer Fußballfan ist.

Die ersten Anzeichen, dass etwas im Busch ist, gab es Ende August. Auf der Internetseite des Trierer Fanprojekts erschien ein namentlich nicht gekennzeichneter Artikel, in dem sich der Autor kritisch mit den Vorgängen rund um das Regionalligaheimspiel der Eintracht gegen Hessen Kassel befasst. Hauptkritikpunkt: Das "deutlich erhöhte Polizeiaufgebot" werfe "in seiner Verhältnismäßigkeit mehr Fragen als Antworten" auf. Man wünsche sich in Zukunft "eher Abrüstung statt Aufrüstung" - erst recht bei Spielen, die ein solches Vorgehen nicht rechtfertigten.

Der Autor des Artikels, Markus Ankerstein, ist ein Mann vom Fach. Gemeinsam mit einem Kollegen kümmert sich Ankerstein seit sieben Jahren hauptberuflich um jugendliche Fußballfans. Das sozialpädagogische Projekt wird von der Stadt Trier, dem Land und dem Deutschen Fußball-Bund finanziert und ist beim Trierer Jugendzentrum Exhaus angedockt.

Ankerstein und sein Kollege Thomas Endres verstehen sich als kritische Lobbyisten für die Fußballfans und deren Anliegen. Auch in die Ultraszene haben sie Kontakt und bekommen daher mit, dass das ohnehin spannungsgeladene Verhältnis zur Polizei sich derzeit rasant weiter verschlechtert. Warum, kann sich auch Ankerstein nicht erklären. Gab es vielleicht einen Strategie- oder Personalwechsel bei der Polizei?, fragt sich der Fußball-Streetworker.

Der vorläufige Höhepunkt im Knatsch zwischen Ultras und Polizei wurde erst vergangene Woche bekannt. Da veröffentlichte die Ultragruppierung Insane auf ihrer Internetseite einen detaillierten Bericht über einen wenige Tage zurückliegenden Anwerbeversuch der Trierer Polizei. Danach soll nach der Trierer Niederlage gegen Koblenz "ein uns bekannter Polizist" einer "uns und in der Eintracht-Szene vertrauten Person" das Angebot gemacht haben, für die Polizei als V-Mann zu arbeiten - für 400 Euro monatlich.

Der angeblich Angesprochene willigte aber nicht ein, sondern informierte die Ultras, die die Sache publik machten und entsprechend kommentierten: Mit dem "schäbigen Anwerbeversuch" sei eine "neue Dimension des Vorstellbaren erreicht".

Aber hat es den angeblich in einer Eifeler Gaststätte stattgefundenen Anwerbeversuch wirklich gegeben? "Es klingt glaubwürdig", meint Fanprojektmitarbeiter Markus Ankerstein. Er gehe davon aus, "dass an der Sache etwas dran ist".

Vorstellbar zumindest wäre es, wenn man Äußerungen des Mainzer Innenministeriums hört. Danach wurden und werden im rheinland-pfälzischen Fußball "im Bereich der Fanszene" Vertrauensleute eingesetzt. Wo und wie viele, darüber schweigt sich der Ministeriumssprecher aus. Er sagt aber noch, dass sich die polizeilichen Maßnahmen nicht auf bestimmte Ligen fokussierten oder einzelne Ligen ausgelassen würden. Entscheidend sei vielmehr das Auftreten einer gewaltbereiten Fanszene.

Dass es auch unter den Eintracht-Anhängern gewaltbereite Fans gibt, steht für die Polizei außer Zweifel. "Laufend passiert etwas bei Eintracht-Spielen", sagt Norbert Hausen, der als Leiter der Trierer Polizeidirektion auch für die Einsätze rund um das Stadion zuständig ist. Allerdings sagt Hausen auch, dass die Initiative zu den Ausschreitungen nur "von einigen wenigen" ausgehe. Und er sagt, dass es den von den Ultras berichteten Anwerbeversuch nie gegeben habe. "Es gab dafür keinen Anlass", sagt Hausen und fügt hinzu: "Ich hab nie einen solchen Auftrag erteilt, habe auch nicht die Befugnisse und außerdem kein Geld, um so etwas zu finanzieren." Ein klares Dementi. Aber kann es denn sein, dass ein anderer Beamter die Spitzelaktion angeordnet habe? "Nein", sagt Hausen, das schließe er aus.

Und dann macht der Direktionsleiter den Ultras noch das Angebot, sich "jederzeit an einem neutralen Ort und ohne Vorbedingungen" mit ihnen zusammenzusetzen, "damit der gegenwärtige Prozess des Aufschaukelns" nicht noch weiter eskaliere. Ob Hausen bei Insane damit offene Türen einrennt, darf bezweifelt werden. Im <span style="display: none;">&nbsp;Volksfreund-Interview  spricht einer ihrer Vertreter bereits von einer neuen Eiszeit. Extra

Ultras verstehen sich als Bewahrer echter Fan-Kultur, die ihren Club bedingungslos unterstützen. Die Mitglieder werden als Stimmungsmacher gelobt, gleichzeitig wird ihnen ein diffuses Verhältnis zur Gewalt angelastet. Die Ultra-Bewegung (von lat. Ultra = darüber hinaus) entstand im Italien der frühen 1950er Jahre. Damals schlossen sich erstmals fanatische Fußballanhänger zusammen, um ihre Lieblingsmannschaften zu unterstützen. Fußballfans werden in drei Gruppen eingeteilt. Kategorie A sind friedliche Anhänger, als Kategorie B werden gewaltbereite, gewaltgeneigte Fans bezeichnet. Und unter Kategorie C fallen die gewaltsuchenden Fans. Nach dem zuletzt veröffentlichten Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze gibt es im Bereich der Regionalliga Südwest, der Eintracht Trier angehört, insgesamt 1352 gewaltbereite oder gewaltsuchende Anhänger. Auch Trierer Ultras gerieten in der Vergangenheit schon häufiger wegen Schlägereien mit Anhängern anderer Mannschaften in die Schlagzeilen. Nach Angaben der Trierer Polizei wurde gegen einzelne Ul tras bereits wegen Beleidigung, Körperverletzung, Raub, Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch oder Landfriedensbruch ermittelt. sey

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