Trumps Rüpeltaktik geht nicht auf - Clinton bei erstem Fernsehduell eindeutig vorn

Washington · Hillary Clinton hat die erste von drei Fernsehdebatten, nach verhaltenem Start, eindeutig gewonnen. Falls Trump im Finale alles daransetzt, die noch schwankenden Wählerinnern und Wähler auf seine Seite zu ziehen, so war am Montagabend davon nicht viel zu spüren.

Spätestens auf halber Strecke ist klar, wer an diesem Abend das bessere Ende für sich haben wird. Donald Trump prahlt damit, dass er so eine Fernsehdiskussion aus dem Stegreif bestreite, ohne sich vorher tagelang im stillen Kämmerlein einschließen zu müssen. Überall im Land sei er gewesen, sagt er, während Hillary Clinton es vorgezogen habe, zu Hause zu üben. Sie mustert ihn kurz, es wirkt amüsiert, dann pariert sie. "Ich glaube, Donald hat mich eben dafür kritisiert, dass ich mich vorbereitet habe auf diese Debatte. Ja, das habe ich getan. Und wissen Sie, was ich noch getan habe? Ich habe mich darauf vorbereitet, Präsidentin zu sein."

Es ist das erste von insgesamt drei TV-Duellen, und wenn es nur nach der Qualität des Debattenauftritts geht, ist die frühere Außenministerin ihrem Ziel, als erste Frau den Chefposten im Oval Office zu übernehmen, ein Stück näher gerückt. In den 90 Minuten, in denen sie mit Trump auf dem Podium der Hofstra University steht, wirkt sie abgeklärt, aber nicht abgehoben. Mal lächelt sie souverän, mal hört sie gelassen zu, wenn er sie attackiert. Sie hat sich jederzeit voll unter Kontrolle, während er zunehmend fahrig wirkt, gegen Ende so müde und ausgelaugt, dass Kritiker fragen, ob nicht Trump es sei, dessen Gesundheitszustand man genauer unter die Lupe nehmen müsse. Hillarys Lungenentzündung, ihr Zusammenbruch am 11. September: Für den Moment scheint es vergessen.

Trump schnieft, er schürzt missbilligend die Lippen, fällt ihr ständig ins Wort. Bisweilen lässt er eher an einen notorischen Zwischenrufer denken als an einen Mann, der ernsthaft um die Wählergunst buhlt. Offensichtlich verlässt er sich auf das Rezept, mit dem er seine Gegenspieler bei den Vorwahlen der Republikaner in die Knie zwang. Doch während er einen Jeb Bush oder Marco Rubio mit vulgären Beleidigungen aus der Bahn warf, sieht er bei Clinton, der Verkörperung professioneller Selbstdisziplin, damit keinen Stich. Bei einem Format, bei dem er anderthalb Stunden nur mit ihr diskutieren muss, nicht mit fünf, sechs oder acht Widersachern wie im Laufe der Primaries, geht die Rüpeltaktik nicht auf. Irgendwann dreht sie den Spieß um, hält ihm Köder hin, nach denen er prompt schnappt.

Als es um die Strategie im Ringen mit dem IS geht, beschwert er sich darüber, dass die Ex-Ministerin auf ihrer Website darlege, wie sie den IS bekämpfen wolle. Dem Feind anzukündigen, was man zu tun gedenke, sei doch naiv, poltert er. Nun, erwidert Clinton, wenigstens habe sie einen Plan. "Kein Wunder, wenn Sie Ihr ganzes Erwachsenenleben lang gegen den IS gekämpft haben", schießt er zurück. Ein absurde Behauptung: Clinton ist 68, die Terrormiliz erst vor wenigen Jahren entstanden. Sie habe das Gefühl, kontert sie kühl, dass sie am Ende des Abends an allem, was schieflaufe, schuld sein werde.

Dass er seine Steuererklärung unter Verschluss hält, obwohl ungeschriebene Gesetze verlangen, dass ein amerikanischer Präsidentschaftsbewerber sie offenzulegen hat? Trump begründet es mit so fadenscheinigen Argumenten, dass nicht nur seine Rivalin auf der Bühne, sondern der halbe Saal lachen muss. Vielleicht liege es ja daran, dass Herr Trump gar nicht so reich sei, wie er immer behaupte, stichelt Clinton. Vielleicht spende er nicht so großzügig, wie er es darstelle. "Oder vielleicht soll das amerikanische Volk nicht erfahren, dass er dem Bund überhaupt keine Einkommenssteuern zahlt." Das wäre doch schlau, antwortet der Milliardär und fügt hinzu, dass Steuergelder sowie nur verschwendet würden. Es klingt, als rede der Börsenbroker Gordon Gekko aus dem Achtzigerjahre-Hollywoodstreifen "Wall Street". Spätestens an dem Punkt, urteilen US-Kommentatoren am nächsten Tag, hat er an diesem Abend die Schlacht um die politische Mitte verloren.

Dabei sah es anfangs so aus, als stünde ein Donald Trump auf der Bühne, der vergessen lassen wollte, wie flegelhaft er sich über weite Strecken des Wahlkampfs benahm. Ein Kandidat, der versuchte, den Staatsmann zu geben, um schwankende Wähler auf seine Seite zu ziehen. Relativ sachlich sprach er über das Thema, mit dem er es geschafft hat, die weiße Arbeiterschaft in strukturkrisengeplagten Industrieregionen für sich zu gewinnen. Er sprach über Fabriken, die nur noch Ruinen sind, weil sich in China oder Mexiko billiger herstellen lässt, was sie einst produzierten. Über Verlierer der Globalisierung, denen das Establishment außer schönen Worten nichts zu bieten habe. Zu Recht warf er Clinton vor, im Streit um das angepeilte transpazifische Handelsabkommen TPP eine opportunistische Kehrtwende vollzogen zu haben. Einst habe sie es als den Goldstandard des Freihandels bezeichnet, jetzt sei sie dagegen, bevor sie, falls sie denn im Weißen Haus regiere, wieder dafür sein werde. Mit solchen Sätzen erzielt er Wirkung, weshalb er sie bis zum 8. November noch oft wiederholen dürfte.

Es ändert nichts daran, dass er zum Auftakt der klare Verlierer ist. Eine Blitzumfrage von CNN erhärtet den ersten Eindruck: 62 Prozent der Befragten sehen Clinton vorn, während gerade mal 27 Prozent Trump für den Sieger des Duells halten.
Meinung

Selbst niedrige Erwartungen enttäuscht - Donald Trump im Duell von Hillary Clinton deklassiert

Von Frank Herrmann

Die Latte lag niedrig für Donald Trump. Eigentlich musste er nur beweisen, dass er in der Lage ist, in zusammenhängenden Sätzen zu reden, statt wie bisher - an den Debattenpulten des republikanischen Vorwahlduells - die üblichen Phrasen abzuspulen.

Dass er Amerika wieder groß machen werde, während seine Rivalen nur Versager, Lügner oder Warmduscher seien, dabei konnte er es schlecht belassen beim ersten Wortduell mit Hillary Clinton.

Aber viel hätte er nicht zu bieten brauchen, um gegen sie zu bestehen. An den Seiteneinsteiger Trump wird nun mal eine niedrigere Messlatte angelegt als an die Berufspolitikerin Clinton, zumal in einem Wahljahr, das im Zeichen populistischer Aufwallung gegen das Establishment steht.

Vielleicht ist es auch so, dass man einem Mann mehr durchgehen lässt als einer Frau. Doch selbst die niedrigen Erwartungen hat der Unternehmer enttäuscht, in der Schlussphase des Wortstreits förmlich deklassiert von seiner Konkurrentin.

Dennoch wäre es falsch, angesichts der fahrigen, weitgehend substanzlosen Vorstellung von der Entzauberung des Donald Trump zu sprechen.

Dass der Lack endlich abplatzt, darauf warten Kritiker des selbstverliebten Populisten schon seit über einem Jahr. Stets hat es sich als Wunschdenken erwiesen, wenn man das Platzen der Trump-Blase prophezeite. Zu raffiniert versteht es der Milliardär, sich zum Rächer der Abgehängten zu stilisieren.

Es gibt offenbar nichts, was ihm seine Anhänger, allen voran weiße Arbeiter in heruntergekommenen Industrieregionen, übelnehmen. Auch nicht einen verpatzten Fernsehauftritt.

Wenn allerdings stimmt, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden, dann ist Trump seinem Ziel, ab Januar im Oval Office zu sitzen, am Montag gewiss nicht näher gekommen. Nur sagt eine Debatte allein noch nichts über seine Wahlchancen. Zumal noch zwei weitere folgen werden.

nachrichten.red@volksfreund.de
Extra

In den amerikanischen Umfragen nach dem Fernsehduell lag Hillary Clinton deutlich vor Donald Trump. Und auch die Berliner Politik sah die Demokratin eindeutig vor dem Republikaner. NorbertRöttgen (CDU) befand: "Sie ist die klare Siegerin." Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Jürgen Hardt (CDU), betonte: "Wir haben keine Argumente gehört, die wir bisher nicht auch im Wahlkampf schon öfters gehört haben." Er habe vermisst, "dass einer der Kandidaten versucht hätte, im politischen Lager des anderen oder in der unentschlossenen Mitte tatsächlich nach Stimmen zu fischen". Ansonsten hielt sich die Regierung am Dienstag mit einer Kommentierung der Debatte zurück. Auf wen man im Kanzleramt künftig im Weißen Haus hofft, ist ein offenes Geheimnis: auf Clinton. Einer, der sich auch die Nacht um die Ohren geschlagen hatte, um das Duell zu verfolgen, war SPD-Vize RalfStegner. Er kommentierte via Twitter: "Wer nach dieser Debatte einen Typen wie Trump zum Präsidenten wählt, ist nicht mehr zu retten. Ahnungslos und gefährlich." Auch der Vizepräsident des Europaparlaments, AlexanderGrafLambsdorff (FDP), sah Clinton klar vorne. Er zeigte sich aber skeptisch, ob das viel verändert. Trump gehe es um die Mobilisierung seiner Wähler, die genau wie er in einer eigenen Welt lebten, meinte der Liberale. Fakten zählten da wenig. Grünen-Chef Cem Özdemir twitterte, Clintons Auftritt sei ein "Triumph der Souveränität über Trumps gefährliches Halbwissen und Arroganz" gewesen. Berlin ist eindeutig für Clinton, parteiübergreifend. Erst recht nach dem Duell. Hagen Strauß

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