US-Bomben gegen den IS reichen Kritikern nicht aus

Washington · Im Bemühen um einen verstärkten Kampf gegen den IS-Terror zelebrieren François Hollande und Barack Obama den Schulterschluss. Gleichwohl lassen die beiden Präsidenten vieles offen.

Washington. Wer zurückdenkt an die Kontroverse vor der Irak-Invasion, muss sich erst noch gewöhnen an das neue französisch-amerikanische Rollenspiel. François Hollande kam am Dienstag als "Kriegspräsident" ins Weiße Haus, darauf bedacht, Barack Obama das Versprechen abzuringen, resoluter gegen die Terrormiliz Islamischer Staat vorzugehen. Obama wiederum lässt an den Jacques Chirac des Jahres 2003 denken, an den Mahner, der den burschikosen George W. Bush zu bremsen versuchte.
Zugegeben, der Vergleich hinkt, aber in Washington gibt es kaum einen, der ihn nicht anstellen würde, schon um zu illustrieren, wie sich das Blatt manchmal wenden kann. Hollande sucht den Schulterschluss mit Obama, von dem er weiß, dass nur er das Bündnis gegen den IS anführen kann. Diesen Schulterschluss beschwor er denn auch, als beide im East Room des Weißen Haus vor die Journalisten traten. Höchste Priorität habe es, den IS in Syrien aus Schlüsselpositionen zu verdrängen, betonte der Franzose, darin sei er sich "mit Barack" völlig einig. "Wir müssen mehr tun", pflichtete der Amerikaner bei.
Was konkret geschehen soll, ließen beide im Ungefähren. Russland, sagte Obama, mit Blick auf Wladimir Putin und im Ton konzilianter als noch im September bei der UN-Vollversammlung, könne eine konstruktivere Rolle spielen, wenn es seinen Fokus verschiebe. Es solle seine Luftschläge auf den IS konzentrieren, "auf die wahre Gefahr", statt wie bisher auf Stellungen moderaterer Assad-Gegner. Außerdem könne es bei den Syrien-Verhandlungen in Wien dazu beitragen, eine Übergangslösung für die Zeit nach Assad zu finden.
Die Türkei, kommentierte Obama den Abschuss eines russischen Kampfjets (siehe Seite 3), habe natürlich das Recht, ihren Luftraum zu verteidigen. Nun dürfe man die Spannungen wegen des Zwischenfalls nicht eskalieren lassen.
Seit den Anschlägen von Paris steht Obama verstärkt in der Kritik, zumal er den IS lange unterschätzt, ihn als B-Team charakterisiert hatte, als eher lokalen Faktor, nicht vergleichbar mit dem global operierenden Netzwerk Al-Kaida. Nach den Terroranschlägen von Paris hat er seine Rhetorik leicht verschärft.
Ob den härteren Worten auch ein Strategiewechsel folgt, bleibt allerdings abzuwarten. Im Moment gibt es kaum Indizien dafür.Spezialtruppe fliegt nach Syrien


Seit August 2014 haben Piloten der Koalition, die Washington im Kampf gegen die Nihilisten zimmerte, IS-Ziele etwa achttausend-mal bombardiert, anfangs nur im Irak, später auch in Syrien. Rund 80 Prozent der Einsätze werden von der US-Luftwaffe geflogen, die übrigen von Frankreich, Großbritannien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Knapp vier Jahre nach dem Abzug aus dem Irak sind bereits wieder 3500 USSoldaten in der Region stationiert, das Gros als Ausbilder und Berater im Zweistromland. Ein kleines Kontingent an Spezialtruppen, nach offiziellen Angaben maximal 50 Mann, soll demnächst nach Syrien beordert werden. Selbst für manche Demokraten, für frühere Kabinettsmitglieder wie Hillary Clinton oder Leon Panetta, ist das zu wenig. Panetta, erst CIA-Chef, dann Verteidigungsminister unter Obama, hat sich lange zurückgehalten, nun aber lehnt er sich weit aus dem Fenster. "Was wir gelernt haben, ist dies: Wenn die Vereinigten Staaten nicht die Führung übernehmen, gibt es keinen, der es an ihrer Stelle tun wird." Für einen republikanischen Hardliner wie den Senator Lindsey Graham, der 10 000 GIs ins syrische Konfliktgebiet schicken würde, grenzt das, was Obama tut, an bloße Symbolpolitik.
Dass der wiederum plötzlich auf Graham hört, kann sich niemand vorstellen. Zu oft, zu prägnant hat er vor einem Einsatz von Bodentruppen gewarnt. Rückendeckung bekommt er von einem Ex-General, dessen Rat schon deshalb zählt, weil es ihm gelungen war, 2007/08 die Lage im Irak durch geschicktes Taktieren vorübergehend zu beruhigen. Westliche Truppen in Syrien wären ein Fehler, warnt David Petraeus. Allein eine arabisch-sunnitische Streitmacht hätte bei der lokalen Bevölkerung die nötige Legitimität, um arabisch-sunnitische Städte wie die IS-Hochburg Raqqa nicht nur zu erobern, sondern sie auch zu halten.

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