Überdruss im Überfluss: Heute jährt sich der Todestag von Kurt Cobain zum 20. Mal

Trier · Sänger, Poet, Mode-Ikone, Junkie: Der Todestag von Kurt Cobain jährt sich heute zum 20. Mal. Eine bestimmt nicht vollständige, aber persönliche Erinnerung an den US-Musiker.

 Trauriger Blick, leise Songs: Kurt Cobain am 18. November 1993 beim legendären Unplugged-Konzert des Musiksenders MTV. Viereinhalb Monate später erschießt sich der Nirvana-Frontmann. Foto: MTV

Trauriger Blick, leise Songs: Kurt Cobain am 18. November 1993 beim legendären Unplugged-Konzert des Musiksenders MTV. Viereinhalb Monate später erschießt sich der Nirvana-Frontmann. Foto: MTV

Es gibt Ereignisse, bei denen man sich ein Leben lang an den Moment erinnern wird, in dem man von ihnen erfahren hat. Die Ermordung John F. Kennedys, zum Beispiel, oder die Mondlandung (zumindest die Älteren unter uns). Die Terroranschläge vom 11. September 2001. Der Todestag von Nirvana-Frontmann Kurt Cobain. In meinem Fall war es auf dem elterlichen Sofa; damals guckten sogar 13-Jährige manchmal Tagesschau.
Ich verstand zwar den Inhalt, als der Nachrichtensprecher am 5. April 1994 vom Selbstmord des 27-jährigen Kurt Cobain sprach (und zwar im selben Tonfall wie über Steuererhöhungen oder das Bundesliga-Wochenende). Aber nicht den Sinn.
Es leuchtete nicht ein, warum jemand, der so sensibel und talentiert ist, seinem Leben - und vor allem seiner Kreativität - freiwillig ein Ende setzte. Erst im Laufe der Jahre verstand ich, dass wohl genau diese Eigenschaften das Problem waren.
Für uns war die Musik, die unter dem Namen Grunge vornehmlich aus der US-Stadt Seattle herüberschwappte, die Rettung in einem dunklen Kapitel der Musikgeschichte. Nirvana, Pearl Jam & Co. halfen, das Grauen zu überleben, das sich in den 90ern tanzend in Gestalt von DJ Bobo zeigte, und uns textlich in Form von Haddaway, Whigfield und, ach ja, DJ Bobo in den Wahnsinn trieb.
Vermutlich haben alle Pubertierenden das Gefühl gemein, nicht verstanden zu werden. Von den Lehrern nicht, von den Eltern sowieso nicht. In Cobains Stimme aber fand ich mich wieder. Mal sanft, mal nuschelnd, meistens schmerzverzerrt. Und immer suggerierend, dass es okay ist, nicht einverstanden zu sein - mit allem.Ein Herz für Außenseiter


Cobain ist oft als Sprachrohr unserer Generation bezeichnet worden: hedonistisch, desinteressiert, unpolitisch. Das wird ihm (und uns) nicht gerecht. Er interessierte sich vielleicht nicht für seine Regierung, doch in Interviews äußerte er sich immer wieder politisch: gegen Frauen-, Schwulen- und Ausländerfeindlichkeit.
Nicht nur seine Musik, auch sein Kleidungsstil wurde zum Vorbild. Flanellhemden, zerrissene Jeans, Chucks. Wolljacken, Doc Martens, ungekämmte Haare. So sah unsere Uniform aus (wobei die Haare natürlich nicht fettig waren, sondern frisch gewaschen so lange mit Haarwachs traktiert wurden, bis sie nicht mehr frisch aussahen).
Cobain und seine Bandkollegen Dave Grohl und Krist Novoselic wurden in vielerlei Hinsicht zu Ikonen. Glücklich machte ihn das offenbar nicht. Zerrüttete Familienverhältnisse, chronische Magenschmerzen, Drogen - bis er schließlich nicht mehr wollte. Nicht nur des Ruhms, sondern des ganzen Lebens überdrüssig. Er hinterließ seine Frau, die Sängerin Courtney Love, und seine anderthalbjährige Tochter Frances Bean, als er sich auf seinem Anwesen mit einer Schrotflinte und Heroin im Blut erschoss.
Pünktlich zum neuen Hype um Nirvana anlässlich Cobains 20. Todestag sind es Stardesigner wie Tom Ford oder Vivienne Westwood, die den Grunge zurück auf die Laufstege holen. Der gutaussehende, blonde Mann mit den sanften Gesichtszügen flimmert wieder über die Bildschirme. Radiostationen gedenken seiner mit den alten Nirvana-Songs. Es riecht nach dem Geist meiner Jugend.Extra

Gedenkabend: Unter dem Namen "A new way into Nirvana" erinnern Wollie Kaiser, Johannes Schmitz, Lukas Reidenbach und Martial Frenzel an Kurt Cobain. Dabei werden die Stücke von der Band Uhl nicht einfach gecovert, sondern interpretiert. Zudem gibt es Rezitationen der wörtlich übersetzten Songtexte. Der Gedenkabend beginnt am Freitag, 11. April, um 20 Uhr in der ehemaligen Schule in Nohn (VGHillesheim). Eintritt: 10 Euro. red

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