Überfordertes Amt und zu schöne Statistiken

Trier/Berlin · Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist offenbar völlig überfordert. Inzwischen dauert es Monate, ehe Flüchtlinge überhaupt einen Asylantrag stellen können. Weil sie schon vorher auf die Kommunen verteilt werden, müssen die Kreisverwaltungen plötzlich Arbeiten übernehmen, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen längst hätten erledigt sein müssen.

Trier/Berlin. Es mag an der hohen Arbeitsbelastung dieses Bundesamtes liegen. Aus Berlin kam gestern jedenfalls keine Antwort mehr auf die Frage, ob es stimmt, dass Flüchtlinge inzwischen auf Kommunen verteilt werden, ohne einen Asylantrag gestellt zu haben. Insider sprechen davon, dass selbst Syrer bis Mai 2016 warten müssen, ehe sie einen Termin für die Antragstellung bekommen. Antragstellung wohlgemerkt. Nicht Anhörung. Die kommt dann nochmals Monate später. Die Frage, ob es also Monate dauert, ehe ein Asylverfahren überhaupt beginnt, ließ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls unbeantwortet.
Die Kreisverwaltungen der Region hingegen sprechen offen über das, was in den Zweigstellen des Bundesamtes in Trier und Bingen passiert - und was dort nicht mehr passiert. "Die Situation bei der örtlichen Ausländerbehörde und dem Sozialamt ist dramatisch", sagt Verena Daun, Pressesprecherin des Vulkaneifelkreises. Denn die Erstaufnahmeeinrichtungen in Bingen und Trier schafften es gerade noch, die Personalien der Asylsuchenden zu erfassen und sie erkennungsdienstlich zu behandeln. Danach würden sie auf die Kommunen verteilt - ohne Dokumente und ohne den Asylantrag gestellt zu haben. Lediglich eine "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender" bringen die Flüchtlinge mit. Somit ist es plötzlich Aufgabe des Kreises, Personalien für das Ausländerzentralregister zu erfassen, Fotos zu machen und Duldungsurkunden auszustellen. Die lokalen Ausländerbehörden müssten nun das, was normalerweise in den Erstaufnahmeeinrichtungen passiert, zusätzlich erledigen, sagt Heike Linden, Sprecherin des Eifelkreises Bitburg-Prüm. "Da wir nicht wissen, wann jemand eingereist ist, müssen wir als Datum der Einreise das Datum der Bescheinigung eingeben."
Auf die so entstehenden Daten ist also kein Verlass. Damit passen sie gut zu den Statistiken des Bundesamtes, die auch nur einen Teil der Wahrheit widerspiegeln. Wie die Kreisverwaltungen Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm bestätigen, dauert es inzwischen oft mehrere Monate, ehe die Flüchtlinge einen Termin bekommen, um ihren offiziellen Asylantrag zu stellen. Und erst ab diesem Zeitpunkt beginnt das Asylverfahren, das dem Bundesamt zufolge in Rheinland-Pfalz 5,6 Monate dauert. In Wirklichkeit dürfte wohl eher ein ganzes Jahr vergehen, bevor ein Flüchtling erfährt, ob ihm Asyl gewährt wird.
Da Syrer im beschleunigten Verfahren landen - sie können ihre Anträge nun auch schriftlich stellen - und Anträge von Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten ebenfalls schneller bearbeitet werden, dauert es bei jenen, die aus anderen Ländern kommen, umso länger. Wer aus Somalia stammt, braucht Geduld (siehe Text unten). "Sie fangen jetzt erst an, Somalier zur Anhörung einzuladen, die 2013 nach Deutschland gekommen sind", sagt eine Insiderin mit Akteneinsicht, die namentlich nicht genannt werden möchte. "Für die Leute ist das eine schwierige Situation, weil sie keine Perspektive haben", betont Ludwig Kewes vom Arbeitskreis Asyl Bitburg.
Das Verfahren sei sicher nicht optimal, sagt Thomas Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg. "Aber wir wissen ja, wie die Situation ist." Mehr als arbeiten könnten die Menschen beim Bundesamt nicht.
Die Registrierung der Asylsuchenden ist eine neue, zusätzliche Herausforderung für die Kommunen, die ohnehin schon vor der riesigen Aufgabe stehen, allen Ankommenden im Winter ein Dach über dem Kopf zu bieten.

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