Verbale Keile statt Kuschel-Koalition

Trier · Kuscheln war gestern: Vor dem Berliner Koalitionsgipfel zur Flüchtlingskrise an diesem Wochenende wird mächtig geholzt und der Schwarze Peter hin und her geschoben. Auch die rheinland-pfälzischen Politiker mischen kräftig mit.

Trier. Kommt es an diesem Wochenende zu einer echten Krise der großen Koalition? Oder haben sich im Anschluss an den Gipfel der drei Parteivorsitzenden zur sich weiter zuspitzenden Flüchtlingskrise am Sonntag wieder alle lieb?
Am Freitag wurden jedenfalls von allen Seiten noch einmal Erwartungen formuliert. Mäßigende Stimmen wie die des Trierer CDU-Bundestagsabgeordneten Bernhard Kaster, der sagte, er halte nichts davon, das Gespräch vorab mit Erwartungen zu überladen, waren die Ausnahme. Etliche auch von Kasters Parteifreunden taten es dennoch - und äußerten dabei auffällige Sympathie für die in den vergangenen Tagen immer lauter werdenden CSU-Forderungen.
Dass die Nerven in Bayern blank lägen, sei doch aufgrund der dortigen besonderen Situation verständlich, meinte etwa der Eifeler CDU-Parlamentarier und Generalsekretär der Landes-CDU, Patrick Schnieder.
Der Druck aus München, wo man vor unhaltbaren Zuständen stehe, sei verständlich, sagte auch CDU-Landesgruppenchef Peter Bleser (Cochem), wenngleich er einschränkte, den Drohungen sehe er gelassen entgegen.
Inzwischen scheint es zumindest unter den meisten CDU-Abgeordneten ausgemachte Sache zu sein, die Seehofer-Forderung nach Transitzonen für Flüchtlinge zu unterstützen - "möglichst an den EU-Außengrenzen, notfalls in Deutschland, wo sehr schnell über Asylanträge entschieden wird", sagt etwa Peter Bleser.
CDU-General Patrick Schnieder schiebt den Schwarzen Peter geschickt den Genossen zu, als seien die jüngsten Giftpfeile eben nicht aus Bayern, sondern aus der SPD-Parteizentrale abgeschossen worden: " Es wird Zeit, dass sich die Sozialdemokraten der Realität stellen und ihre Vorbehalte gegenüber den geplanten Transitzonen ablegen."
Ein klares Nein dazu kommt von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Große, außerterritoriale Inhaftierungszentren werde es mit ihrer Partei nicht geben, sagte die SPD-Politikerin am Freitag. Dreyer äußerte zugleich scharfe Kritik an den jüngsten Statements aus Bayern: "Das Schauspiel, das Horst Seehofer seit vielen Wochen aufführt, vermittelt den Eindruck, dass die Politik nicht in der Lage sei, die Herausforderung zu lösen."
Ähnlich sieht dies auch die Trie rer Grünen-Abgeordnete Corinna Rüffer. Seehofer spiele den Rattenfängern von der rechten Seite in die Hände, sagt die Politikerin. Kein Zaun der Welt werde Menschen an der Flucht hindern, aber Grenzen dichtmachen heiße, den Tod vieler Menschen in Kauf zu nehmen.
"Das ist verantwortungslos und menschenverachtend", sagt Oppositionspolitikerin Rüffer.
Mahnende Stimmen kommen vor dem Gipfelwochenende vom rheinland-pfälzischen Gemeinde- und Städtebund. Wenn der Flüchtlingsstrom in der bisherigen Form anhalte, seien die Kommunen mit der Unterbringung, Versorgung, Betreuung und späteren Integration überfordert, sagt Geschäftsführer Winfried Manns. Der Gemeinde- und Städtebund erwartet daher vom Treffen der Koalitionsspitzen, dass schnell ein zweites Maßnahmenpaket zur Flüchtlingspolitik auf den Weg gebracht wird, das auch deutliche Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingsströme beinhalte. Hierzu gehören nach Ansicht von Manns die weitere Straffung der Verfahrensvorschriften und ein konsequentes Abschiebemanagement.
Auch CDU-Landeschefin Julia Klöckner wirbt für "Transit- oder Aufenthaltszentren". "Wir brauchen Entlastung und Begrenzung", sagt Klöckner, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei ist und schon allein deshalb die Vorsitzende Angela Merkel in Schutz nimmt: "Was von ihr erwartet wird, kann ja kein Mensch erfüllen."
Die Trierer Linken-Parlamentarierin Katrin Werner weiß schon jetzt, was beim Flüchtlingsgipfel herauskommt: nichts. Sinnvolle Ergebnisse seien nicht zu erwarten. Nach der Verschärfung des Asylrechts durch den Bundestag vor zwei Wochen werde jetzt über die Abschottung der Grenzen verhandelt.
Was die Unionsbasis von der an diesem Wochenende gefundenen Lösung hält, können Merkel, Klöckner & Co. am Montagabend mit der Parteibasis diskutieren. Dann ist in Darmstadt CDU-Zukunftskongress der vier Landesverbände Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.

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