Vorbereitungen für Brenner-Grenzkontrollen in letzter Phase

Innsbruck · Der Brenner ist eines der großen Symbole für die Reisefreiheit in der EU. Acht Millionen Fahrzeuge rollen hier im Jahr von Österreich nach Italien und umgekehrt. Grenzkontrollen hätten große Auswirkungen.

(dpa) - Die Zeit für freie Fahrt am Brenner scheint vorbei. Die Behörden wollen „lageabhängig“ entscheiden, ob wegen der Flüchtlingskrise Grenzkontrollen an dem österreichisch-italienischen Alpenpass eingeführt werden. Das könne jederzeit passieren, hieß es am Mittwoch. Es ist noch offen, ob wirklich ein rund 400 Meter langer Zaun aufgestellt wird. Klar ist aber: Die Alpenrepublik bereitet sich intensiv darauf vor, die Einreise aus Italien zu kontrollieren. Das hätte weitreichende Folgen - für Flüchtlinge, für Italien, für Deutschland, für Urlauber und die Wirtschaft. Und: Grenzkontrollen sind keine österreichische Spezialität.

Was ist der Anlass des Grenzmanagements?

Österreich fühlt sich in der Flüchtlingskrise inzwischen überfordert und will in diesem Jahr nur noch 37 500 Asylbewerber aufnehmen. Von Januar bis Ende April wurden trotz Schließung der Balkanroute im Februar bereits rund 18 000 Asylanträge gestellt. Falls wie erwartet in den nächsten Monaten wieder mehr Flüchtlinge via Italien nach Norden reisen, wäre die politisch angestrebte „Obergrenze“ bald erreicht. Falls Österreich einen „Notstand“ ausruft, wird praktisch kein Flüchtling mehr ins Land gelassen, sondern nach Italien zurückgewiesen. Damit kämen auch nur noch sehr wenige Migranten nach Deutschland.

Wie reagiert Italien?

In Italien werden die Pläne seit Wochen scharf kritisiert. Das Land fürchtet Einbußen für Wirtschaft und Tourismus und ein Festsitzen Hunderter Flüchtlinge auf der italienischen Seite der Grenze. „Die Schließung des Brenners wäre ein schwerer Schaden für die europäische Wirtschaft und den Verkehr“, sagte Verkehrsminister Graziano Delrio der Zeitung „Il Mattino“. Eine Regionalpolitiker warnte: „Die österreichische Mauer am Brenner steht für das Ende Europas.“

Was sagt Italien zur österreichischen Kritik des „Durchwinkens“?

Italiens Außenminister bestreitet das. Im Gegenteil: Es kämen derzeit mehr Flüchtlinge aus Österreich nach Italien als umgekehrt. Alle Migranten, die in Italien strandeten, würden registriert. Fast alle Hotspots seien aktiv. Jetzt müssten alle anderen EU-Staaten ihren Verpflichtungen nachkommen, sagte Außenminister Paolo Gentiloni der Wiener Zeitung „Die Presse“ (Mittwoch).

Was würde sich für die deutschen Urlauber ändern?

Die Reisezeit, wohl weniger die Reiseroute. Der Brenner ist die Hauptstrecke nach Italien und zurück - und es gibt kaum attraktive Alternativen. Jedenfalls halten Verkehrsexperten die Umwege für zeitaufwendiger als die Dauer des möglichen Staus am Brenner.

Welche Sorgen hat die Wirtschaft?

Stehen die Lastwagen im Stau, kostet das Geld. Auf einen Schaden von rund eine Million Euro pro Tag könnten sich Steh-Zeiten am Brenner für die Logistikbranche summieren, meinen Experten. Dabei ist das nur der direkte Schaden. Die indirekten Folgen für Unternehmen, die auf Ware und Ersatzteile warten, sind viel höher.

Wie ist die Situation an anderen Grenzabschnitten?

Seit der Abkehr Österreichs von der Willkommens-Politik wurde insbesondere am Grenzübergang Spielfeld kontrolliert und auch ein knapp vier Kilometer langer Zaun gebaut. Betroffen war aber nur die Bundesstraße, nicht die Autobahn nach Slowenien. Seit der Schließung der Balkanroute kommt dort kaum mehr ein Flüchtling an. Anders ist die Lage an der Grenze zu Ungarn. Verstärkt versuchen Migranten von dort nach Österreich einzureisen. Jetzt soll auch im angrenzenden österreichischen Bundesland Burgenland ein etwa zehn Kilometer langer Zaun gebaut werden.

Was passiert an der deutsch-österreichischen Grenze?

Grenzkontrollen sind keine österreichische Spezialität. An den Autobahn-Übergängen bei Kufstein, Salzburg und Passau überprüft die deutsche Seite seit September 2015 den Einreiseverkehr aus Österreich. Die Folge: Wartezeiten von bis zu drei Stunden. Allein 2016 ließ Deutschland laut österreichischem Innenministerium rund 7000 Migranten nicht einreisen und schickte sie nach Österreich zurück. Innenminister Thomas de Maizière hat angekündigt, die Grenzkontrollen zu überprüfen. Falls die Lage entspannt bleibt, könnte ab 12. Mai wieder freie Fahrt herrschen.

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