Wahlschlappe in den USA: Kommentar zur Kongresswahl

Washington · Der amerikanische Senat ist rot geworden in der vergangenen Nacht. Jeder Kabelsender zeigt dieselbe politische Landkarte: Von Arkansas bis Montana, von Colorado bis Georgia dominiert die Farbe der Republikaner. Das demokratische Blau behauptet sich nur noch dort, wo traditionell die Hochburgen der Partei Barack Obamas und Hillary Clintons liegen – an der Westküste, im Nordosten und vereinzelt im Mittleren Westen.

Im Repräsentantenhaus steuern die Konservativen ihr bestes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg an, vielleicht sogar das beste seit 1928.

In einem Satz, eine republikanische Welle ist mit Wucht über die USA hinweggerollt, fast noch heftiger, als es die Meinungsforscher prophezeit hatten. Der "Grand Old Party" ist es gelungen, aus dem Votum ein Referendum über die Leistung des Präsidenten zu machen. Es ist ihr gelungen, für alles, was die Amerikaner umtreibt, von prekären Jobs, von stagnierenden, oft sinkenden Reallöhnen bis hin zur Angst vor Ebola und dem Terror des "Islamischen Staats", Obama die Schuld in die Schuhe zu schieben. So sehr sich die demokratischen Kandidaten in ihren Bundesstaaten auch mühten, lokale Themen in den Fokus zu rücken, letzten Endes war es eine Abstimmung über das Weiße Haus. Obama hat sie klar verloren, eben auch, weil die kalte, zynische Rechnung republikanischer Parteistrategen aufging.

Sechs Jahre lang haben sie im Kongress blockiert, was sie blockieren konnten. Totalopposition ersetzte vollends jene pragmatische Kooperation, ohne die das amerikanische System der "checks and balances" nun mal nicht funktioniert. Die Folge war ein dramatischer Ansehensverlust der politischen Klasse, die sich in den Augen von Joe oder Jane Normalbürger dem Luxus eitler Profilierungsgefechte hingab, statt die Probleme des Landes anzupacken. Abgestraft hat der Wähler dafür die Regierungspartei, nicht die Opposition. Bestraft hat er den Status quo, in der Hoffnung, dass sich etwas ändert.

Obama wird nun noch weiter zurückgeworfen, ein großer Wurf dürfte ihm kaum noch gelingen, jedenfalls kein innenpolitischer. Vielleicht konzentriert er sich fortan ganz auf die Außenpolitik, auf einen Atomdeal mit Iran, einen Normalisierungsmeilenschritt mit Kuba, ein geordnetes Verhältnis zum großen Rivalen China. Reformen lassen die neuen Mehrheitsverhältnisse im Kongress einfach nicht zu, es sei denn, die Administration übernimmt die Agenda, wie sie die Gegenpartei durchsetzen möchte: eine Senkung der Unternehmenssteuer, grünes Licht für die Keystone-Pipeline von den kanadischen Teersandfeldern zum Golf von Mexiko, Abstriche an der Gesundheitsreform, solche Sachen.

Die Republikaner wiederum laufen Gefahr, dass sie im Hochgefühl ihres Triumphs den Bogen überspannen, dass sie Obama vorführen, statt an Kompromissen mit ihm zu basteln. Falls sie nicht bald definieren, wofür sie sind, statt immer nur zu sagen, was sie ablehnen, könnten sie 2016 an den Wahlurnen die Quittung kassieren. Die reine konservative Lehre, sie ist gewiss nicht gefragt. Was der Souverän erwartet, ist ein Kongress, der gleichsam mitregiert, mit Augenmaß und ohne Tea-Party-Aufstände.

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