Warum Bill Clinton den Anzug lieber anbehält

Washington/Dallas · George W. Bush war als Kriegspräsident bekannt. Im Ruhestand hat er eine künstlerische Ader entdeckt. Seine Porträts von Staatsgrößen sind jetzt erstmals ausgestellt.

Washington/Dallas. Es ist über zehn Jahre her, da erklärte George W. Bush, er habe Wladimir Putin in die Augen geschaut und dessen Seele erkannt. Jetzt hat er den russischen Präsidenten in Öl verewigt, und irgendwie lässt sein Putin eher an das Lenin-Mausoleum oder das Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud denken als an tiefe Seelenstudien. Der Mund verkniffen, die Miene versteinert, die Augen zu Schlitzen verengt: Das maskengleiche Pokerface gibt eigentlich überhaupt nichts von dem Mann preis.
Der wachsstarre Putin, er gehört zu den 24 Porträts, die Bush in seiner Präsidentenbibliothek in Dallas ausstellt. Tony Blair und Hamid Karsai, Angela Merkel und der Dalai Lama: Folgt man der Eigenwerbung seiner ersten Ausstellung, will der Künstler zeigen, welche Bedeutung persönliche Beziehungen in der Weltpolitik haben. Ansonsten soll ihm das Malen helfen, das Rentnerleben mit Sinn zu erfüllen, so sagte er es jedenfalls seiner Tochter Jenna Bush Hager, die inzwischen für den Fernsehsender NBC als Reporterin berichtet. "Ich male so viel, weil ich ehrgeizig bin. Ich will besser werden."
Bush ist jetzt 67, und als er mit 65 erstmals zum Pinsel griff, will er seiner Gattin Laura, die skeptisch nach dem Zweck des Zeitvertreibs fragte, schmunzelnd entgegnet haben: "In meinem Körper ist ein Rembrandt gefangen, und es ist deine Aufgabe, ihn herauszulassen." Worauf sie einen Lehrer anheuerte. Nach der Premiere mit Landschaften, mit Katzen und Barney, dem verstorbenen Schottischen Terrier, sorgten Selbstporträts beim Baden und Duschen für Wirbel, was Bill Clinton, den Vorgänger im Weißen Haus, zu schönster Ironie anstachelte. Er habe ernsthaft überlegt, Bush darum zu bitten, auch ihn zu zeichnen. "Bis ich das Ergebnis sah. Diese Skizze in der Badewanne, wunderbar! Aber in meinem Alter, denke ich, sollte man lieber seinen Anzug anbehalten."
Eines hat Dubya, wie viele seiner Landsleute ihn noch immer nennen, jedenfalls erreicht mit seinem Hobby, er hat sich selbst weichgezeichnet. Aus dem politischen Tagesgeschehen hält er sich völlig heraus, es ist kein einziger Fall bekannt, in dem er Entscheidungen Barack Obamas bewertet, kritisiert, gelobt hätte. Jimmy Carter gibt noch heute gern Ratschläge zur Nahoststrategie, nachdem er 1978 in Camp David den ägyptisch-israelischen Frieden vermittelte. Bill Clinton gründete eine Stiftung zur Lösung globaler Probleme, abgesehen davon, dass er 2012 mit flammenden Reden Obamas bester Wahlkämpfer war.
Bushs Dilemma besteht darin, dass die Republikaner sein Erbe eher als Last empfinden und den Parteifreund eher als Störfaktor, weshalb sie froh sind, dass er sich im Großen und Ganzen fernhält von Rednertribünen. Auch das mag die Hinwendung zum Hobby erklären.
Putin übrigens, erzählt Bush seiner Tochter, habe einst ziemlich spöttisch herabgeschaut auf Barney, den vierbeinigen Familienliebling - "Das nennst du einen Hund?" - und Wert darauf gelegt, beim Gegenbesuch seinen deutlich größeren Labrador Koni vorzustellen. Das sage ja einiges aus über einen Charakter, über ein Weltbild, glaubt der Texaner. Wladimir sei im alten Rivalitätsdenken befangen, im alten Nullsummenspiel. "Er ist ein Mensch, der glaubt, dass Russland verliert, wenn die USA profitieren - und umgekehrt."

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