Weder Vertrauen noch Lösungen

"Der Europäische Rat gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse." So steht es in Artikel 15 des EU-Vertrags.

Gemessen daran lässt sich das, was beim jüngsten EU-Gipfel geschehen ist, als Arbeitsverweigerung bezeichnen. In einer Situation, in der alles nach mutigen Richtungsentscheidungen schreit statt nach technokratischem Klein-Klein, in der nicht wenige den Anfang vom Ende der Europäischen Union ausmachen, haben die Staats- und Regierungschefs delegiert, vertagt und kaum messbare kleinste gemeinsame Nenner als Erfolge verkauft.
Es hört sich zuerst gut an, dass 20 000 Flüchtlinge aus Krisengebieten nach Europa geholt und den überforderten Italienern und Griechen 40 000 Asylbewerber abgenommen werden sollen. Ohne verpflichtenden Verteilungsschlüssel, in der Nacht zu Freitag in einer hitzigen Debatte begraben, steht die konkrete Umsetzung in den Sternen. Kommt die beschämend geringe Anzahl über freiwillige Aufnahmeangebote nicht zustande, wird gar nichts passieren. Die Scheinlösung ist ein Ergebnis dessen, dass die Krise das Vertrauen und die Solidarität untereinander hat erodieren und nationale Egoismen zum Maß aller Dinge hat werden lassen.
Angela Merkel warnt vor Spannungen zwischen den EU-Staaten - ein Begriff, der in der Welt der Diplomatie nicht für die Mitglieder des eigenen Bündnisses reserviert ist. Ihrer europäischen Verantwortung ist auch die Kanzlerin nicht gerecht geworden, speziell beim Thema Griechenland. Es ist fahrlässig, eine Lösung den Finanzministern sowie im Vorfeld EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zu überlassen.
Erstens ist die Stimmung speziell in der Euro-Gruppe so vergiftet, dass eine Einigung an diesem Samstag selbst dann kaum gelingen dürfte, wenn man inhaltlich nah beieinander ist.
Zweitens geht es nicht nur um Zahlen und Details der griechischen Rentenreform, in die sich die Chefs nicht einmischen wollen.
Was auch passiert - Staatspleite, Euro-Aus oder erneute Rettung -, es wird die EU auf Jahre prägen. Das gilt auch für die Art, wie man jetzt mitein ander umgeht. Keine Frage, ein großer Teil des zerstörten Vertrauens geht auf das Konto der griechischen Regierung. Und doch tritt auch die Gläubigerseite die Gemeinschaft mit Füßen: Man kann neue Athener Vorschläge nicht erst als Fortschritt bezeichnen und dann alles mit roter Farbe anstreichen. Das musste als Provokation aufgefasst werden. All dies auf der technischen Ebene zu belassen, wird bestenfalls zu einer weiteren Scheinlösung führen.
Der mutigere Schritt wäre es einzugestehen, dass Griechenland wenigstens eine Übernahme der bald fälligen Schulden bei der Europäischen Zentralbank durch den Euro-Rettungsschirm braucht, um auf die Beine zu kommen - ernsthafte Reformen vorausgesetzt.
nachrichten.red@volksfreund.de

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