Wenn Gläubige sich als Christen zweiter Klasse fühlen

Trier · Die Forderungen nach einem anderen Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen werden immer lauter. Und die Gläubigen wollen nicht länger vertröstet werden. Das haben inzwischen auch viele Kleriker begriffen. Aber eben nicht alle.

Wenn sich ab morgen die 230 Delegierten des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK, siehe Hintergrund) in Bonn zu ihrer zweitägigen Herbstvollversammlung treffen, wird ein Thema erneut auf der Tagesordnung stehen: der Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen. Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst wird am Samstag über den neuesten Stand der Beratungen in der Bischofskonferenz informieren. Viel Neues wird Fürst nicht zu berichten haben. Aber immerhin scheint nach Jahren des Stillstands nun Bewegung in die Diskussion um wiederverheiratete Gläubige gekommen zu sein.

Mitverantwortlich dafür ist ein vor wenigen Wochen veröffentlichtes Papier des Erzbistums Freiburg. In der sogenannten Handreichung für die Seelsorge zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung wird beschrieben, unter welchen Vor-aussetzungen die Betroffenen wieder Zugang zu den Sakramenten (siehe Stichwort) erhalten können. "Eine Handreichung, die Beispielcharakter hat und der sich hoffentlich weitere Bistümer anschließen", freute sich die Katholische Frauengemeinschaft (kfd), die allein im Bistum Trier knapp 40 000 Mitglieder hat.

Auch der langjährige Trierer Fernsehpfarrer Stephan Wahl (Wort zum Sonntag) jubelte auf seiner Internetseite: "Ein Schritt nach vorne. Das Stichwort ist nicht Beliebigkeit, sondern wie Kirche menschlich-christlich mit Scheitern umgeht. Das vertrete ich seit Jahren, Ermahnung und (geistige) Prügel einsteckend, jetzt glimmt Hoffnung."
Diese Hoffnung hat allerdings durch die Äußerungen des Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, einen Dämpfer bekommen. Müller forderte die Freiburger auf, ihren Vorstoß zurückzuziehen. Doch die aufmüpfigen Freiburger denken offenbar nicht daran. Auf den Brief aus Rom angesprochen, verwies ein Bistumssprecher auf eine Äußerung des Papstes vor lateinamerikanischen Ordensleuten: "Macht euch keine Gedanken, wenn ein Brief von der Glaubenskongregation kommt, sie hätten dies und jenes angeordnet. Macht euch keine Sorgen, geht weiter, öffnet Türen."Drohender Arbeitsplatzverlust

Für den Herbst kommenden Jahres hat Papst Franziskus eine außerordentliche Bischofssynode zum Thema Familie einberufen. Dabei soll auch über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen gesprochen werden. Zur Vorbereitung wurde an alle Diözesen weltweit ein Fragebogen geschickt, auch um die jeweils unterschiedlichen Probleme vor Ort zu erkunden. Der Trierer Bischof hat den Fragebogen ins Internet gestellt ( www.roemischebefragung.bistum-trier.de ) und die Gläubigen aufgerufen, ihre Sicht der Dinge zu schildern.
Die kfd-Diözesanvorsitzende Ilse Diewald erwartet von den deutschen Bischöfen, dass sich konkret etwas bewegt: "Menschen in unserer Kirche erleben sich nach Scheidung und Wiederverheiratung als Christen zweiter Klasse." Mutter oder Vater ausgeschlossen zu sehen von wichtigen Sakramenten wie Kommunion-empfang oder Krankensalbung, wirke sich auf die gesamte Familie aus. Diewald macht noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: Wenn der wiederverheiratete Mann oder die Frau bei einem kirchlichen Träger beschäftigt ist, droht zusätzlich der Verlust des Arbeitsplatzes.ZWEI FRAGEN AN ...

... den Trierer Bischof Stephan Ackermann.

Inwiefern hat das Thema wiederverheiratete Geschiedene bei den Beratungen des Ständigen Rats eine Rolle gespielt? Ackermann: Das Thema kam vor, wurde aber bei dieser Sitzung nicht ausführlicher besprochen. Die bischöfliche Arbeitsgruppe, die wir zu diesem Thema eingerichtet haben und der ich angehöre, hat einen kurzen Zwischenbericht über den aktuellen Stand der Arbeit gegeben. Natürlich gab es auch einen Austausch über den Fragebogen, den Rom zur Vorbereitung der Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie verschickt hat.

Was ist Ihre Position?
Ackermann: Ich habe schon wiederholt gesagt, dass ich eine Lösung für die Frage der Geschieden-Wiederverheirateten für ein drängendes pastorales Problem halte, das wir nicht ignorieren dürfen. Wer sich aber näher mit dem Thema befasst, der spürt, dass es nicht einfach ist, gute pastorale Lösungen zu finden, die nicht die Unauflöslichkeit der als Sakrament geschlossenen Ehe in Frage stellen. Man wird der Problematik auch nicht gerecht, indem man sie verkürzt auf die Frage: Kommunionempfang Ja oder Nein? Ich halte es allerdings wirklich für bedenklich, dass jemand sein Leben lang auch vom Empfang des Bußsakramentes ausgeschlossen bleibt. Die Beichte ist doch nach unserem Verständnis eine ganz große Chance auf Versöhnung und Neuanfang. seyExtra: Das ZdK

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist die Dachorganisation der katholischen Laien. Es vertritt sie bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung und ist das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ zur Koordinierung des Laien engagements. Das ZdK ist auch für Planung und Durchführung der Katholikentage verantwortlich. Das Generalsekretariat des ZdK sitzt in Bonn. Der halbjährlich tagenden Vollversammlung gehören rund 230 Delegierte an, darunter mit Bruno Sonnen (Trier), Michael Drockur (Daun) und Herta Brinkmann (Linz) drei Vertreter des Katholikenrats im Bistum Trier. seyExtra: Die "Sakramente"

Zu den Sakramenten gehören in der katholische Kirche Taufe, Eucharistie, Firmung, Beichte, Ehe, Priesterweihe und Krankensalbung. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Sakramente ist nach katholischem Verständnis eine gläubige Haltung des Empfängers. Kirchenmitglieder, die exkommuniziert sind, sind vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen, solange ihnen die Strafen nicht nachgelassen sind. Darüber hinaus gibt es einige Sonderregeln. So sind wiederverheiratete Geschiedene nicht zu Beichte und Eucharistie zugelassen, weil sie den als unauflöslich betrachteten Ehebund gebrochen haben. Kirchenrechtlich begründet wird dies unter anderem mit Verweis auf Canon 915 des Codex Iuris Canonici. Er schließt jene Gläubigen vom Empfang der Kommunion aus, "die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren".

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