Wenn Umfragen die schöne Bilanz verhageln - CDU-Chefin Julia Klöckner mit ungewohnten Fragen konfrontiert

Mainz · Sechs Tage vor der Landtagswahl liefern sich CDU und SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und die Herausforderin Julia Klöckner muss sich plötzlich ungewohnte Fragen gefallen lassen.

Mainz. Die Fraktionsspitze der rheinland-pfälzischen CDU hat sich ein paar Wochen Zeit gelassen, um nach der rot-grünen Landesregierung eine eigene Bilanz der zurückliegenden Legislaturperiode zu präsentieren.Landtagswahl 2016


Die komplette Fraktionsspitze ist an diesem späten Montagvormittag zur Präsentation erschienen und nimmt sich nun mehr als 70 Minuten Zeit, um mit der Regierung Dreyer abzurechnen und die eigenen Schwerpunkte der vergangenen fünf Jahre aufzuzählen. Es geht um Themen wie Bildung, Innere Sicherheit, Finanzen, Straßen, schnelles Internet oder Landwirtschaft und Weinbau. "Wir können Regierung, und wir können es besser als Rot-Grün", bilanziert gegen Ende der Präsentation CDU-Fraktionsvize Alexander Licht.

Das ist kein überraschendes politisches Statement, sondern dieser Tenor wird von den rheinland-pfälzischen Christdemokraten in der seit Aschermittwoch laufenden heißen Wahlkampf endphase fast schon gebetsmühlenartig wiederholt. Bis vor kurzem sah es so aus, als würde ein Großteil der Wähler dies ähnlich sehen. Noch im Herbst lag die oppositionelle Landes-CDU satte zehn Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten. Doch dann - verkehrte Welt: Je kälter es draußen wurde, desto mehr schmolz der Vorsprung der Klöckner-CDU dahin.

In den vergangenen Tagen kam es sogar knüppeldick. Mit jeder neuen Umfrage näherten sich Rot und Schwarz an, bis das Forschungsinstitut Insa am gestrigen Montag sogar ein Patt vermeldet: CDU 35 Prozent, SPD 35 Prozent. Und das sechs Tage vor der Wahl. Da muss man kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass die Bilanz der CDU-Landtagsfraktion am Montag nicht im Vordergrund des Interesses steht. Womöglich reden Oppositionschefin Julia Klöckner und die vier Herren an ihrer Seite - Christian Baldauf, Hans-Josef Bracht, Alexander Licht und Adolf Weiland - deshalb so ausführlich über ihre politischen Aktivitäten, um die drohenden unbequemen Fragen möglichst auf die lange Bank zu schieben. Doch schon die erste Frage dreht sich um das Umfragepatt und die Zufriedenheit der schwarzen Wählerschaft mit der rot-grünen Landesregierung.

Die Gesichter des CDU-Quintetts spiegeln nicht gerade helle Freude wider. "Warten wir doch erst einmal die Wahl ab", wehrt Spitzenkandidatin Julia Klöckner ab. Umfragen seien das eine, der Wahlausgang das andere. "Und außerdem stehen wir besser da als vor fünf Jahren."
Das stimmt. 2011 stand die CDU bei 34 Prozent. Sie legte damals aber in der Tendenz kontinuierlich zu, während sie fünf Jahre später eher auf dem Abspeckkurs ist.

Ob sie sich denn auch vorstellen könne, als Juniorpartner in einer großen Koalition ein Ministeramt zu bekleiden, will der nächste Fragesteller wissen. Hätte jemand diese Frage im September gestellt, wäre er dafür ausgelacht worden. Ein halbes Jahr später - der CDU-Vorsprung von zehn Prozentpunkten ist weg - lacht niemand mehr. Schon gar nicht Julia Klöckner. Sie sagt, man verteile keine Posten, es gehe derzeit vielmehr um unterschiedliche Positionen. Und der Rest werde sich zeigen.

Die nächste Frage, der nächste Nadelstich: Hat die Landes-CDU im Wahlkampf womöglich strategische Fehler gemacht, etwa bei den Kita-Gebühren, dem Nationalpark oder den Flüchtlingen? Die Frage ist nicht ohne, weil man sie auch so auffassen könnte, als habe die CDU die Wahl schon verloren. Julia Klöckner pariert: Sie nehme es anders wahr, sagt sie, außerdem beschäftige sie sich derzeit nicht mit Analysen, sondern mit den Menschen auf der Straße. Nur scheinen die für die CDU schon mal eine größere Zuneigung verspürt zu haben.Extra

Komplizierte Fremdwörter, Anglizismen, Schachtelsätze - die Programme der Parteien zu den Landtagswahlen sind einer Studie zufolge schwer zu verstehen. "Die Wahlprogramme sind so unverständlich wie eine Doktorarbeit", lautet das Ergebnis einer Studie der Stuttgarter Universität Hohenheim in den drei Bundesländern, in denen am kommenden Sonntag gewählt wird. Auf einer Skala von 0 für völlig unverständlich bis 20 für sehr verständlich bekamen die Programme der Parteien in Rheinland-Pfalz im Schnitt eine 7,6, in Baden-Württemberg eine 7,9 und in Sachsen-Anhalt eine 7,8. dpa

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