Wenn ganze Familien samt Kleinkindern in den Dschihad ziehen

Paris · Frankreich reagiert mit einem Anti-Terror-Gesetz auf die Gefahr, die von den Dschihadisten ausgeht. Denn an die 1000 Franzosen sollen an der Seite der IS-Miliz in Syrien und im Irak kämpfen. Auch Jugendliche und ganze Familien ziehen in den Kampf.

Paris. Es waren Geschichten wie die von Celia, die den französischen Innenminister Bernard Cazeneuve dazu brachten, im Juli ein Anti-Terror-Gesetz auf den Weg zu bringen. Die heute 18-Jährige sollte eigentlich an der Elitehochschule Sciences-Po mit dem Studium beginnen, doch sie entschied sich stattdessen für den bewaffneten Kampf. Wie viele andere geriet das Mädchen, das eigentlich anders heißt, über das Internet in die Fänge der Islamisten und schloss sich in Syrien den selbst ernannten Gotteskriegern an.
Etwa 1000 Franzosen kämpfen an der Seite der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat im Irak und Syrien - so viele, wie aus keinem anderen europäischen Land. Mit dem Anti-Terror-Gesetz, das die Nationalversammlung am Mittwochabend mit den Stimmen fast aller Parteien verabschieden sollte, können die Dschihadisten noch vor der Ausreise gestoppt werden. Die Behörden können demnach Verdächtigen Reisepass und Personalausweis entziehen und sie so daran hindern, das Land zu verlassen.
Allerdings mahnt der beratende Menschenrechtsrat: "Das erhöhte Risiko von Terroranschlägen auf französischem Boden sollte nicht dazu führen, den Rechtsstaat zu unterhöhlen."

Aber die Regierung fürchtet bei einer Rückkehr der radikalisierten Kämpfer Anschläge in Frankreich. Und die Angst ist begründet: Der Franzose Mehdi Nemmouche, der sich für das Attentat auf das jüdische Museum in Brüssel mit vier Toten verantworten muss, war als Geiselwächter für den IS in Syrien im Einsatz. Und er soll am Nationalfeiertag des 14. Juli einen Anschlag auf die Pariser Champs-Elysées geplant haben.
Das Gesetz erlaubt auch, Internet-Seiten, die zum Terrorismus aufrufen, zu blockieren. Denn es ist oft das Internet, über das gerade Jugendliche auf den IS aufmerksam werden. "Sie gehen ins Internet und suchen die Welt zu verbessern", berichtet die Soziologin Dounia Bouzar im Fernsehen. Die Expertin gründete das Präventionszentrum CPDSI, das Fällen wie dem von Celia vorbeugen will.
Das Mädchen mit Studienplatz ist kein Einzelfall, denn schon längst sind es nicht mehr nur die sozial benachteiligten Jugendlichen, die zum Dschihad aufbrechen. "Heute sehen wir im Zentrum Kinder von Lehrern oder Beamten", sagt Bouzar. Für Angehörige gibt es seit Mai eine eigene Notrufnummer, die sie wählen können, wenn ein Familienmitglied in den Dschihad abzugleiten droht. Vor allem Eltern machen davon Gebrauch.
Patchwork-Familie verschwunden


"Seit die Notrufnummer eingerichtet wurde, fühlen sich die Eltern nicht mehr als Schuldige, sondern als Opfer", lobt Bouzar die Maßnahme. Doch die Dschihadisten haben auf die neuen Vorkehrungen bereits reagiert: sie rekrutieren nun weniger Jugendliche, dafür aber ganze Familien. So verschwand Anfang Oktober eine elfköpfige Patchwork-Familie aus Nizza Richtung Türkei, um sich von dort aus nach ersten Ermittlungserkenntnissen den Dschihadisten in Syrien anzuschließen. Das jüngste Kind war gerade einmal sechs Monate alt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort