"Wir müssen Kiew die Türen aufmachen"

Berlin · Die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck gehört zu den Wahlbeobachtern, die im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Parlamentswahl in der Ukraine beaufsichtigt haben. Im TV-Telefoninterview schildert sie ihre Eindrücke aus Kiew.

Berlin. Die Wahl in der Ukraine ist gelaufen - und zwar laut OSZE-Wahlbeobachterin Marieluise Beck ohne größere Probleme. Mit Beck sprach unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff.

Ist die Wahl insgesamt korrekt verlaufen?
Marieluise Beck: Ja. Die OSZE wird ihre endgültige Bewertung zwar noch bekanntgeben, aber alles, was wir als Beobachter sehen konnten, war überaus korrekt.

Man konnte hier lesen, dass es Stimmenkauf bei den Direktmandaten gab. Stimmt das?
Beck: Ich kenne diese Gerüchte auch, kann sie aber weder bestätigen noch dementieren. Hierzu muss man den OSZE-Bericht abwarten.

Im Donbass und auf der Krim konnte in vielen Gebieten gar nicht gewählt werden. Ist das neue Parlament trotzdem repräsentativ?
Beck: Es wäre natürlich schön gewesen, wenn die fünf Millionen Menschen dort auch hätten wählen können. Präsident Putin hätte das jederzeit möglich machen können. Aber man darf Russland nicht das Recht geben, für die ganze Ukraine und ihre 40 Millionen Bewohner auf diese Weise demokratische Wahlen zu verhindern.

Hat die Ukraine auf dem Weg zu einer Demokratie mit dieser Parlamentswahl einen Schritt nach vorn gemacht?
Beck: Mit Sicherheit. Man muss sich vorstellen, unter welchen Bedingungen hier gewählt wurde: Eiskalte Wohnungen, weil Russland kein Gas liefert, eine annektierte Krim, eher Krieg als Waffenstillstand im Osten - und trotzdem gibt es eine klare Absage an die radikalen Parteien. Das zeugt von einer politischen Reife, die uns Respekt abnötigen muss.

Ist das Ergebnis auch ein klares Votum für Europa?
Beck: Eindeutig. Die drei stärksten politischen Kräfte, der Block Poroschenko, Jazenjuks Partei und die aus dem Maidan hervorgegangene Bürgergruppe Selbsthilfe stehen alle für innere Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, den Kampf gegen Korruption und für Europa.

Fällt der russische Vorwurf, in Kiew regierten die Faschisten, jetzt in sich zusammen?
Beck: Er war schon lange reine Propaganda. Schon bei den Präsidentschaftswahlen im Mai bekam der betreffende Kandidat weniger als zwei Prozent der Stimmen. Es passt Putin eben nicht, dass sich in der Ukraine selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger auf den Weg machen in eine offene und demokratische Gesellschaft.

Wie soll sich Europa jetzt gegenüber der Ukraine verhalten?
Beck: Wir müssen dem ukrainischen Volk, das sehr viele Opfer bringt, weil es an unsere Werte glaubt, wirklich die Türen aufmachen. Wir dürfen es uns nicht vom Hals halten wollen, bloß weil wir für unsere Werte wie Freiheit und Demokratie nicht mehr so kämpfen und in der EU erweiterungsmüde geworden sind. wk

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