Zehntausende auf Leipzigs Straßen - Legida mobilisiert aber viel weniger Anhänger als erwartet

Leipzig · 40 000 Demonstranten will die islamkritische Legida in Leipzig auf die Straße bringen - und scheitert. Viele Anhänger werden von Legida-Gegnern blockiert. Auf die Bahnstrecke Dresden-Leipzig werden Brandanschläge verübt.

Eine Stadt im Ausnahmezustand: Schon am frühen Mittwochnachmittag kreisen Hubschrauber über Leipzig. Aberdutzende Polizeibusse fahren mit Blaulicht und Martinshorn durch die Stadt. Busse und Straßenbahnen stehen still. Um 16 Uhr ist die gesamte City der 540.000-Einwohnerstadt abgeriegelt.

Heinz-Peter Brogiato will zur Mahnwache an der neuen katholischen Kirche, doch auch die Seitenstraßen sind gesperrt. Es gibt kein Durchkommen. Der gebürtig aus Birresborn in der Eifel stammende 56-Jährige lebt seit 14 Jahren in Leipzig. "Ich bin ein wenig enttäuscht, dass die 19 Gegenkundgebungen so strikt voneinander abgeriegelt werden, so können wir nicht als ganz große Masse zum Ausdruck bringen, was wir von Legida halten", sagt er. Statt zur Gemeindekirche schlägt er sich nun mit seiner Frau Sonja durch zum Augustus-Platz. Ein geschichtsträchtiger Platz, 1989 haben die Leipziger hier schon demonstriert. Auf dem Flachdach der Hauptpost hatte die DDR Schützen postiert. Dass die Revolution damals friedlich ablief, darauf sind die Leipziger stolz. "Keine Gewalt, keine Gewalt", mahnt denn auch der Leipziger DGB-Vorsitzende Bernd Günther von der Rednerbühne am Augustus-Platz. Sonja Brogiato ist Vorsitzende des Leipziger Flüchtlingsrats. "Zurzeit leben rund 2400 Flüchtlinge in der Stadt. Den Kopftuchträgern unter ihnen haben wir empfohlen, heute zu Hause zu bleiben", sagt die 54-Jährige. Leipzig hat eine gewaltbereite rechte Szene, aber auch die autonome Linke hat erst kürzlich die Scheiben eines Gerichtsgebäudes mit Steinen eingeworfen. "Ich habe Angst, dass es unter dem Vorwand, den Flüchtlingen Gutes tun zu wollen, zu Gewalt kommt", sagt die Flüchtlingsvertreterin.

Wohl rund 10.000 Gegendemonstranten sind alleine am Augustus-Platz zusammengekommen. Zumindest dort bleibt es friedlich. Seifenblasen schweben durch die Luft. "Haut ab, haut ab!", skandieren die Gegendemonstranten. Das geschichtsträchtige Gewandhaus und auch die Leipziger Oper löschen sämtliche Lichter, um auch ein Zeichen gegen Legida zu setzen.

Statt 40.000 Legida-Anhängern ziehen schließlich nur knapp 10.000 vom Hauptbahnhof aus, der komplett abgesperrt ist, über die große Ringstraße. "Nazis raus!" schallt ihnen von den mehreren zehntausend Gegendemonstranten entgegen. Leipzig lässt Pegida keinen Zentimeter mehr Platz, als der Demo von Gesetz wegen eingeräumt wird.Legida in Zahlen

100 000 Teilnehmer wurden zur Demonstration am Mittwochabend in Leipzig erwartet. 40.000 Demonstranten wollte allein der Pegida-Ableger Legida auf die Straßen bringen, weitere 60.000 sollten bei insgesamt 19 Gegenveranstaltungen zusammenkommen. Zwei Stunden nach Beginn der Demonstrationen waren geschätzt 10.000 Legida-Leute unterwegs. An die 4000 Polizisten sorgten für Sicherheit, darunter 1000 Bundespolizisten. dpa
Hintergrund: Große Demonstrationen in Deutschland

Mit 100 000 Demonstranten wurde am Mittwoch in Leipzig gerechnet. Klingt viel - doch in Deutschland gingen früher schon viel mehr Menschen auf die Straße.

In Leipzig läuteten 1989 Montagsdemonstrationen die friedliche Revolution in der DDR ein. Allein am 23. Oktober zogen knapp 300 000 Menschen durch die Stadt. Am 4. November 1989 demonstrierten bis zu eine Million DDR-Bürger auf dem Berliner Alexanderplatz.

In der Bundesrepublik kamen in den 1980er Jahren mehrfach Hunderttausende zu Aufmärschen der Friedensbewegung. Im Bonner Hofgarten protestierten im Oktober 1981 etwa 300 000 Menschen, an den Bonner Rheinwiesen im Juni 1982 400 000. Gut 20 Jahre später zählte die Polizei im Februar 2003 in Berlin 500 000 Menschen bei einer Großdemonstration gegen den Irak-Krieg.

Auch die Gegner der Atomkraft mobilisierten wiederholt die Massen. 150 000 kamen im Oktober 1979 zu einer Kundgebung in Bonn, jeweils etwa 100 000 im März 1979 in Hannover, im Februar 1981 in Brokdorf (Schleswig-Holstein), im März 1986 im bayerischen Wackersdorf und im September 2010 in Berlin.Im November 1992 gingen allein in Berlin mehr als 300 000 Menschen gegen Gewalt an Asylbewerbern auf die Straße. Im Dezember protestierten weit mehr als eine Million Menschen gegen Fremdenhass: bis zu 450 000 in Hamburg, mehr als 300 000 in München, gut 200.000 in Berlin, jeweils 120 000 in Stuttgart und Karlsruhe sowie je 100 000 in Nürnberg, Hannover, Frankfurt und Wuppertal. dpa

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