Zeit der Unsicherheit, aber kein Weltuntergang: Was die rheinland-pfälzische Wirtschaft nach dem Brexit erwartet

Mainz/Trier · Was bedeutet die Brexit-Entscheidung für die hiesige Wirtschaft? Nicht schön, wird Folgen haben, ist aber auch kein Weltuntergang, geben sich deren Vertreter verhalten optimistisch.

Mainz/Trier. Großbritannien ist für Rheinland-Pfalz einer der wichtigsten Handelspartner. Im vergangenen Jahr wurden für rund 3,5 Milliarden Euro Waren nach England exportiert (siehe Extra). Da ist es nicht verwunderlich, dass so mancher Unternehmer jetzt nicht voller Optimismus in die Zukunft schaut. Wie wird sich das Geschäft mit England entwickeln? Werden neue Zollschranken den Export künftig erschweren? Werden die Briten künftig vermehrt Waren aus anderen Wirtschaftsräumen importieren?Sinkende Umsätze

Auf all diese Fragen gibt es noch keine endgültigen Antworten, allenfalls - unterschiedliche - Prognosen. Etwa die von Volker Scherer, Sprecher der rheinland-pfälzischen IHK-Arbeitsgemeinschaft. Er sagt voraus, dass die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen auf dem britischen Markt leiden werde. Insbesondere kleine und mittelständische Firmen müssten sich möglicherweise auf sinkende Umsätze bei Geschäften mit Großbritannien einstellen.

Mit Umsatzeinbrüchen und mehr Bürokratie für die regionale Wirtschaft rechnet auch der Trie rer IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Glockauer. Durch den Austritt aus der EU werde das britische Pfund an Wert verlieren. Waren aus Deutschland würden damit für britische Unternehmen teurer, was sich negativ auf die Verkaufszahlen auswirke, so Glockauer. "Unternehmen werden außerdem beim Im- und Export förmliche Zollanmeldungen abgeben müssen", sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer voraus.

Für Triers IHK-Präsident Peter Adrian kam der Brexit nicht völlig unerwartet. Die Engländer hätten in der EU schon immer einen Sonderstatus und eine größere Distanz zu Brüssel gehabt, sagt der Unternehmer. Was der bevorstehende Austritt konkret bedeute, hänge von den Vereinbarungen ab, die nun getroffen werden müssten. Dabei werde es zwar schwierig sein, den Status quo zu halten; andererseits hat laut Peter Adrian aber auch keine Seite Interesse daran, dass man sich zu weit voneinander entferne. "Die Welt wird nicht untergehen", sagt Adrian. Er mahnt allerdings an, dass nun die übrigen EU-Länder nicht einfach zur Tagesordnung übergehen dürften, sondern Konsequenzen aus der Brexit-Entscheidung ziehen müssen. Die Bürger fühlten sich durch die EU-Bürokratie zu sehr gegängelt. "So darf das nicht weitergehen", sagt Adrian.

Das meint auch der Vorsitzende der Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU), Frank Natus. Er sieht in den Absetzbewegungen mehrerer EU-Länder auch eine "Folge des jahrelangen Chaos' in der Europäischen Union". Wer sich etwa - wie Polen - nicht an Verträge oder Vereinbarungen halte, müsse dafür bestraft und notfalls sogar ausgeschlossen werden", sagt Natus.

Natus, geschäftsführender Gesellschafter eines Trierer Schaltanlagenherstellers, erwartet nach der gestrigen Brexit-Entscheidung eine Phase der Unsicherheit, bei der vieles in der Schwebe sei. Kommen Zölle? Was ist mit dem Freihandelsabkommen? Forderung des VTU-Vorsitzenden: schnellstmögliche Klarheit darüber, wie es weitergeht. Frank Natus' Wunsch: "Dass die Handelsbeziehungen nicht leiden und die Verträge weiterlaufen, als bliebe Großbritannien in der EU."Extra

Großbritannien ist für Rheinland-Pfalz einer der wichtigsten Partner im Außenhandel. Im vergangenen Jahr wurden Waren im Wert von rund 3,5 Milliarden Euro aus Rheinland-Pfalz geliefert, was einem Anteil von 6,7 Prozent an den rheinland-pfälzischen Exporten entspricht. Damit liegt Großbritannien nach Frankreich, den USA und den Niederlanden an vierter Stelle in der Rangfolge der Exportmärkte. In umgekehrter Richtung wurden 2015 Waren für mehr als 1,2 Milliarden Euro nach Rheinland-Pfalz eingeführt. Dies entspricht einem Anteil von 3,6 Prozent an den Importen. sey

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