...und das alles für sechs Minuten

TRIER. Tagelanger Nervenkitzel, ein riesiger logistischer Aufwand, unzählige Helfer im Einsatz – und nur ein paar Minuten hat es gedauert, um die Gefahr, die von der amerikanischen Fliegerbombe ausging, zu bannen. Ein nicht ganz normaler Sonntagmorgen in Trier.

 Während der Bomben-Entschärfung: Straßensperre an der Kaiserstraße. Im Hintergrund halten sich Feuerwehrleute für den Ernstfall bereit. TV-Foto: Roland Morgen

Während der Bomben-Entschärfung: Straßensperre an der Kaiserstraße. Im Hintergrund halten sich Feuerwehrleute für den Ernstfall bereit. TV-Foto: Roland Morgen

Kathrin Coura klebt ein weißes Klebeband auf die Klingeln am Eingang. Damit signalisiert die Feuerwehrfrau vom Löschzug Trier-Kürenz, dass sich keiner der Anwohner mehr in dem Haus aufhält. Es ist 7.50 Uhr, Trier-Innenstadt, wenige hundert Meter hinter dem Mutterhaus, wo am Donnerstag die Bombe gefunden worden ist. Überall in den Straßen gehen Feuerwehrleute von Haus zu Haus und klingeln. Vereinzelt melden sich noch verschlafene Stimmen. Die Feuerwehrmänner erklären ihnen, dass sie das Haus verlassen müssen. Die meisten Wohnungen sind zu dieser Zeit aber bereits leer. Große weiße Kreuze aus Klebeband an den Haustüren zeigen das. Immer wieder fahren Einsatzwagen von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk oder Polizei durch die Straßen. "Es läuft alles reibungslos", verkündet Triers Bürgermeister und Leiter des seit Donnerstag tagenden Krisenstabs, Georg Bernarding, kurz vor acht Uhr. In der Tat ist keine Hektik zu verspüren. Die Anwohner, die noch durch die Straßen gehen, wirken unaufgeregt. Von Angst keine Spur. Eine Gruppe junger Mädchen läuft lachend Richtung Fußgängerzone. Ein Polizeihubschrauber kreist über der Stadt.Kriegserinnerungen kommen hoch

Zeitgleich werden in den Pflegeheimen der Vereinigten Hospitien 350 Bewohner in den Keller gebracht. Unter den Einrichtungen befindet sich ein ein Kilometer langer Versorgungsgang, der die einzelnen Häuser miteinander verbindet. Dahin werden die zum Teil bettlägerigen Patienten gebracht. Keine ganz einfache Situation. Einige der älteren Mensch fühlen sich in den schmucklosen mit grellem Neonlicht beleuchten, fast straßenbreiten Betongängen an Bunker erinnert, in die sie während des Weltkrieges immer wieder vor Bombenangriffen flüchten mussten. "Die meisten haben aber keine Probleme damit", berichtet Personalleiterin Anette Conrady. In langen Reihen sitzen die Bewohner nebeneinander in ihren Rollstühlen oder auf Stühlen. In den hinteren Bereichen wurden die in Betten liegenden Patienten gefahren. Es ist warm in den Gängen. Die 160 Pfleger und Ärzte beschäftigen die Alten mit Gedächtnisspielen und Gesprächen.

Um 8.15 Uhr fährt der Einsatzleitwagen der Trierer Berufsfeuerwehr vor das seit Samstag leere Mutterhaus. Von hier aus läuft die Funkverbindung zum Krisenstab in der Leitstelle der Feuerwehr. Dort sitzen seit 5.30 Uhr 15 Sicherheitsexperten von Feuerwehr, Polizei, Stadt, DRK und Maltesern. Auf einer Leinwand ist der Stadtplan der 500-Meter-Gefahrenzone zu sehen. Per Telefon erfahren die Experten, welche Straßenzüge evakuiert sind. Um neun Uhr meldet ein Feuerwehrmann, dass ein Mann nicht seine Wohnung räumen will. Die Polizei und das Ordnungsamt werden eingeschaltet. Zu dieser Zeit trifft Horst Lenz zusammen mit zwei Mitarbeitern am Fundort der Bombe ein. Der Leiter des Kampfmittelräumdienstes wird in ein paar Minuten ganz alleine in die gut zehn Meter tiefe Baugrube gehen, direkt unterhalb des monströs wirkenden siebenstöckigen Klinik-Altbau. Außer ihm wird keiner in der Nähe sein.

Bagger steht noch an Ort und Stelle

Der Bagger, der am Donnerstagvormittag auf das gefährliche Fundstück gestoßen ist, steht noch mit hochgefahrener Schaufel in der gut zehn Meter tiefen Baugrube - direkt vor der Fliegerbombe. Weiter hinten stehen zwei Scheinwerfer. Mit ihnen ist die Grube ausgeleuchtet worden, damit Feuerwehr und Polizei den Fundort auch nachts überwachen konnten. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die Entschärfung der Bombe doch nicht so einfach sein könnte, dass Lenz einen Roboter einsetzen müsste. "Alles Quatsch", sagt Herbert Albers-Hein, Leiter der Trierer Berufsfeuerwehr. Es gebe keine Hinweise, dass eine außergewöhnliche Gefahr bestehe. Über Funk erfährt der Krisenstab kurz nach zehn Uhr, dass Lenz mit seiner Arbeit begonnen hat. Eigentlich will er den Zünder mit einer Trennscheibe von der Hülse lösen. Doch das Gerät funktioniert nicht. Der Bombenexperte löst das gefährliche Teil mit einer großen Zange, zwei Umdrehungen und der Zünder ist draußen. Gefahr gebannt. Sechs Minuten hat es gedauert. Um 10.10 Uhr kommt der erlösende Funkspruch im Krisenstab an: "Die Bombe ist entschärft." Aufatmen bei den Sicherheitskräften. Die Erleichterung ist allen anzusehen. "Das hat schon jede Menge Nerven gekostet", gesteht Krisenstabs-Leiter Bernarding. Nach und nach werden die Einsatzkräfte informiert: "Sie können nach Hause fahren, die Bombe ist entschärft."

Bombe wird nach Koblenz gebracht

Um 10.30 Uhr wird die nun nicht mehr ganz so gefährliche Fracht auf den grünen LKW des Kampfmittelräumdienstes verfrachtet und festgezurrt. Lenz hält den Zünder ("Die kleine, schwarze Seele der Bombe.") in die Kameras der Fotografen und Kameraleute. Zusammen mit der Bombe wird der Zünder nach Koblenz ins zentrale Munitionslager gebracht.

Am Neubau der psychiatrischen Klinik des Mutterhauses fahren bereits die ersten Busse der Stadtwerke vor und bringen die ersten Patienten wieder zurück. In den Gängen der Vereinigten Hospitien schieben Helfer Betten und Rollstühle zu den Fahrstühlen und bringen die Bewohner auf ihre Zimmer. In den Straßen läuft der Verkehr bereits wieder normal.

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