Ein Arbeiter entlarvt Marine Le Pen

Paris · In der Fernsehdebatte hat die FN-Chefin Mühe, die Kritik ihrer Rivalen zu kontern.

Paris Ging es eher zu wie auf dem Bazar oder am Stammtisch? Das war die Frage nach der ersten Fernsehdebatte der elf französischen Präsidentschaftskandidaten am Dienstagabend. Trotz der lautstarken Diskussionen trug die vierstündige Marathonsendung gut zwei Wochen vor der ersten Wahlrunde nicht dazu bei, den 40 Prozent noch Unentschlossenen eine Orientierung zu bieten.
Ziel der meisten Angriffe war nicht wie erwartet der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron, sondern die Rechtspopulistin Marine Le Pen. So wurde der Linksextremist Philippe Poutou zum Star des Abends, als er Le Pen und den konservativen Ex-Regierungschef François Fillon direkt auf die Affären ansprach, in die beide verwickelt sind. "Endlich hat das mal jemand gesagt", lobte ein Zuschauer hinterher die Initiative des 50-Jährigen, der als einziger nicht in Anzug und Krawatte, sondern im langärmeligen weißen T-Shirt erschienen war.
Der Ford-Arbeiter entlarvte vor allem die Chefin des Front National (FN), die sich als Kandidatin der Arbeiterschaft ausgibt. "Sie greifen in die öffentlichen Kassen - und der FN, der sich als Anti-System-Partei aufführt, schützt sich dann mit der parlamentarischen Immunität. Wenn wir vorgeladen werden, haben wir keine Arbeiter-Immunität", sagte der Chef der Neuen Antikapitalistischen Partei, der in Umfragen bei einem Prozent liegt.
Die sonst so wortgewaltige Le Pen war nach dem Vorwurf so perplex, dass ihr keine Antwort einfiel. "Marine Le Pen ist nicht besiegt, aber sie hat eine Partie verloren", kommentierte die Zeitung Le Monde am Mittwoch. Gegen den FN laufen Ermittlungen wegen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern, die vom Europaparlament bezahlt wurden, aber für die Partei im Einsatz gewesen sein sollen. Le Pen weigert sich, dazu verhört zu werden und beruft sich auf ihre Immunität als Europaabgeordnete.

Am Mittwoch veröffentlichte die Wochenzeitung Canard Enchaîné neue Vorwürfe, wonach auch in der Region Nord-Pas-de-Calais FN-Mitarbeiter aus der Regionalkasse entlohnt wurden, die für Le Pens Wahlkampf 2012 arbeiteten. Prominentester Fall ist ausgerechnet der derzeitige Wahlkampfleiter David Rachline, der für den FN als Mitarbeiter im Norden auf der Gehaltsliste stand, dort aber laut Anwesenden nie gesehen wurde. Die polizeilichen Ermittlungen, die deshalb aufgenommen wurden, kommen für Le Pen zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage sind Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit für 65 Prozent der Franzosen die wichtigsten Eigenschaften des künftigen Präsidenten.
Auch der Schlagabtausch mit dem unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron, der mit ihr in Umfragen praktisch gleichauf liegt, misslang der FN-Chefin. Nur elf Prozent der Fernsehzuschauer fanden den Auftritt Le Pens überzeugend, der Umfragen rund 26 Prozent in der ersten Wahlrunde bescheinigen. Damit lag die 48-Jährige, die teilweise überfordert wirkte, deutlich hinter dem Popularitätssieger des Abends, dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélen-chon und Macron, der 21 Prozent für sich einnahm. Keine Punkte sammelten dagegen Fillon, der nur 15 Prozent der Zuschauer überzeugte, und der ohnehin weit abgeschlagene Sozialist Benoît Hamon.

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