Tanzen und hoffen – Frankreichs Jugend feiert Macron

Paris/Lille · Im Herzen der französischen Hauptstadt feiern Tausende bei Partymusik den Wahlsieg von Emmanuel Macron. Nicht alle sind Anhänger der ersten Stunde. Aber auch die Niederlage Le Pens kann ein Grund zu feiern sein.

Ein blau-weiß-rotes Fahnenmeer, Pop-Musik in Disko-Lautstärke und die Hoffnung auf echten Neuanfang: Tausende Anhänger des künftigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron haben am Sonntagabend auf dem Platz vor dem weltberühmten Pariser Louvre den Wahlsieg ihres Kandidaten gefeiert. Bei einer riesigen Freiluftparty sorgten DJs für ausgelassene Stimmung bei dem überwiegend jungen Publikum.

Als der Sieger um kurz nach 22.30 Uhr zur Europahymne „Freude, schöner Götterfunken“ auf die Bühne tritt, wird er wie ein Popstar gefeiert. „Emmanuel“-Rufe tönen durch die Nacht. Die Wahlparty Macrons, der mit 39 Jahren jüngster französischer Präsident aller Zeiten wird, erinnert eher an ein Musik-Festival als an eine Wahlparty. Nach der Rede steigen Macron, seine 25 Jahre ältere Frau Brigitte und das Wahlkampfteam auf die Bühne, alle sind sichtlich gerührt. Anhänger rufen: „Brigitte, Brigitte!“

Es wird ausgelassen getanzt, gelacht und gesungen. Eine junge Frau klettert sogar auf einen Laternenpfahl, um dort vor laufenden Kameras ihren Oberkörper bis auf den BH zu entblößen. Seht her, das ist das neue liberale Frankreich, scheint die Botschaft zu lauten.

Das Wort des Abends lautet eindeutig „Hoffnung“. Fast jeder nimmt es in den Mund, wenn er darüber spricht, warum er trotz wenig frühlingshafter Temperaturen vor das Louvre-Museum gekommen ist. „Wir hatten jetzt Jahrzehnte lang Präsidenten, die rechts oder links waren, und die haben nichts erreicht“, sagt beispielsweise der 28 Jahre alte Jura-Student Jesse Journo.

In Deutschland oder in Großbritannien sei die Arbeitslosigkeit viel niedriger als in Frankreich. Mehr Arbeitsplätze und mehr Sicherheit, das seien die Projekte, die Macron jetzt unbedingt anpacken müsse. „Ich hoffe, dass er das schafft“, sagt der überzeugte Macron-Anhänger.

„Es mag sich vielleicht merkwürdig anhören, aber ich hoffe vor allem, dass unter Macron das Bild Frankreichs im Ausland wieder besser, moderner und jugendlicher wird“, sagt Philippe Vaillet (53). Wie Rechte und Konservative in den letzten Jahren eine Kampagne gegen die Homo-Ehe geführt hätten, sei eine Schande für das Land gewesen.

Zu den wenigen Familien, die gekommen sind, gehören Eric und Anne-Claire Lanoe mit ihren beiden Kindern Calista (15) und Robin (12). Die als Führungskräfte arbeitenden Pariser haben Macron gewählt, weil sie hoffen, dass er am ehesten in der Lage sein könnte, das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen.

„Macron ist ein guter Redner“, sagt Anne-Claire. „Nun müssen wir hoffen, dass er auch denjenigen Hoffnung geben kann, die ihn nicht gewählt haben“, sagt sie mit Blick auf die vielen Millionen Franzosen, die für die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen gestimmt haben.

„Was blieb denn heute anderes übrig, als Macron zu wählen?“, fragt die 23-jährige Verkäuferin Sarah. Ähnlich äußert sich der 22-jährige Emin Yesilbas, der in der ersten Wahlrunde für den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon gestimmt hatte. „Ich komme aus einer Migrantenfamilie“, sagt er. „Ich feiere heute, dass die Front National nicht gewonnen hat.“

Viele Wähler taten sich schwer. Auch die frühere Kunstlehrerin Blanche unternahm alles, um Le Pen zu verhindern. Sie habe in den vergangenen Tagen ihre Freunde aufgerufen, um gegen die Populistin zu stimmen, erzählt die 78-Jährige nach der Stimmgabe am Vormittag. Im ersten Wahlgang gehörte Blanche noch zu jenen rund 22 Prozent, die nicht ins Wahlbüro gingen. Einst wählte sie sozialistisch. Aber das ist schon Jahre her.

Der Linksaußen-Politiker Mélenchon war auch der Favorit von Laurence gewesen. Die 48-Jährige ist Mathematik-Lehrerin und unterrichtet im Pariser Vorort Saint-Denis an einem Gymnasium in einem sozialen Brennpunkt. Sie habe für den 65-Jährigen gewählt, weil dieser das von vielen als korrumpiert empfundene Regierungssystem umbauen wollte, milliardenschwere Zusatzausgaben und Investitionen fordere sowie die EU-Verträge neu verhandeln wolle.

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