Zentralisierung auf Kosten der Bürgernähe

Eine Verwaltungsreform setzt zweierlei voraus: Ein Szenario künftig als wünschenswert erachteter Entwicklungen und, darauf basierend, eine Aufgabenkritik, aus der hervorgeht, wo es Reformbedarf gibt, wie dringend er ist, in welchen Kontext er eingebunden sein muss.

Würde man alleine die Prognosen der Statistiker zur Grundlage politischer Entscheidungen machen, dann geriete man in die Gefahr sich selbst erfüllender Prophezeiungen: Der Rückbau von Infrastrukturen würde unweigerlich den Prozess von Entleerung und Überalterung beschleunigen. Dabei gibt es durchaus Anzeichen dafür, dass ländliche Räume für bestimmte gesellschaftliche Gruppen attraktiv sind und bleiben werden.

Die Gesetzesvorlagen lassen weder eine Vorstellung zukünftig wünschenswerter Entwicklungen noch ihre Verankerung in einer gründlichen, wissenschaftlich fundierten Aufgabenkritik erkennen. Die Aufhebung weniger kleiner Verbandsgemeinden und ihre Integration zu größeren Einheiten hat nur geringe Einspareffekte, die unter Umständen durch zusätzliche hauptamtliche Beigeordnete wieder aufgehoben werden dürften. Vor allem sollten die Möglichkeiten für die Verbandsgemeinden erweitert werden, eigene Einnahmen zu generieren.

Der größte Rationalisierungs- und Einspareffekt dürfte sich aus der Abschaffung der Mittelinstanzen ergeben. Mit der Umgestaltung der Bezirksregierungen haben sie auch die an sich erwünschte regionale Bündelungsfunktion verloren. Die weiterhin für unerlässlich gehaltenen Aufgaben können auf die Ministerien und die Landkreise aufgeteilt werden. Auch eine Reform der Kreise hin zu regionalen Einheiten (eventuell angelehnt an die fünf Regierungsbezirke der 1950er und 1960er Jahre) sollte überprüft werden

Weiter tragen die Kernstädte übergroße Lasten, von denen die "Speckgürtel" weitgehend kostenlos profitieren. Wo Eingemeindungen nicht möglich oder nicht sinnvoll sind, sollten Verbundlösungen geschaffen und gefördert werden, die es erlauben, die Nutznießer städtischer Infrastrukturen an deren Kosten gerechter zu beteiligen.

Die jetzt angestrebte Zusammenlegung von Verbandsgemeinden zeigt einen Trend zur Zentralisierung, der auf Kosten der Bürgernähe und des ehrenamtlichen Engagements geht, also gerade wertvolle Merkmale des jetzigen Systems zur Disposition stellt. Zusammenlegungen sollten aus eigener Einsicht, eventuell unterstützt durch Anreize, nicht aber durch die Androhung von Zwang erreicht werden. Die angedrohte zwangsweise Vollstreckung wird als Ausfluss einer obrigkeitsstaatlichen Haltung wahrgenommen. Für den Termin 2014 gibt es keine überzeugende Begründung.

Was jetzt mit den Gesetzesentwürfen vorliegt, kann nur die Vorstufe einer wirklichen Reform sein. Nötig wird eine zweite Phase, der eine eingehende Aufgabenkritik vorangehen muss, die auch die Ministerialebene und die Mittelinstanzen einbezieht. Zur Person Bernd Hamm, 65, ist Soziologe. Ehe er in den vorzeitigen Ruhestand ging, war er Professur für Siedlungs-, Umwelt- und Planungssoziologie an der Universität Trier.

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