Sturz aus dem Krankenbett und Instrumente im Körper: Zahl der ärztlichen Behandlungsfehler erneut gestiegen

Berlin · Dass gleich der falsche Patient operiert wurde, kam 2014 nur einmal vor. Aber allein 13 Patienten starben oder wurden schwer geschädigt, weil sie vom Krankenbett fielen, und 34-mal wurde Operationsbesteck im Körper vergessen.

Berlin. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der erwiesenen Behandlungsfehler erneut gestiegen - auf insgesamt 3769 Fälle (plus zwei Prozent). Das ergab der Jahresbericht der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung.3000 Fälle bei Schiedsstellen


Und das ist noch nicht das ganze Schreckensbild. Bei den Schiedsstellen der Ärztekammer laufen ebenfalls Beschwerden von Patienten auf, etwa weitere 3000 Fälle. Und die Dunkelziffer ist laut Stefan Gronemeyer, dem Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes, noch höher. "Von Entwarnung kann keine Rede sein", sagte Gronemeyer gestern in Berlin bei der Vorstellung der Daten. Allerdings gibt es auch rund 15 Millionen Operationen jedes Jahr und noch mehr ambulante Behandlungen.
14 663 Gutachten wurden vom Medizinischen Dienst im Jahr 2014 Jahr aufgrund von Patienten- oder Angehörigenhinweisen gemacht, in jedem vierten Fall bestätigte sich der Pfusch-Verdacht. Die Gutachten, für Kassenpatientien gratis, können Grundlage von Klagen sein. In 1022 Fällen wurde ein bleibender Schaden angerichtet, drei Prozent der Betroffenen, insgesamt 92 Patienten, starben sogar. Allerdings: Viele Fehler bemerkt niemand, wenn nicht die Folgen sichtbar sind. Etwa nutzlose Medikationen oder unzureichende Diagnosen. Auch aus diesem Grund stehen die leicht sichtbaren Fehler in der Orthopädie und Chirurgie mit 32 Prozent Anteil oben in der Statistik.
Am häufigsten passiert etwas bei Knie- (131 Fälle) und Hüftgelenkoperationen (129), gefolgt von Brüchen des Oberschenkels (128). Allerdings liegen auch Zahnbehandlungen ganz oben, vor allem die Zahnwurzelbehandlung mit 184 Fällen falscher Behandlung, aber auch der Zahnersatz (100) und die Zahnentfernung.
Operationssaal und Zahnarztstuhl sind jedoch nicht die einzigen für Patienten mitunter gefährlichen Orte: Auch das Bett kann zur Falle werden. Allein 67-mal erlitten Menschen durch falsche Lagerung schwere Druckgeschwüre. 590 Pflegefehler wurden insgesamt festgestellt.
Es gibt laut der Statistik mehrere Fehlerquellen. Sehr häufig (1008-mal) ist schon der Befund falsch. Das kann dann eine ganze Kette von Fehlern nach sich ziehen. Oft ist die Fehlinterpretation von Krankenbildern einer Ursache. Bei Operationen ist die Nachsorge am anfälligsten, in der Pflege fehlt es häufig schon an der korrekten Planung und Kommunikation. Gründe für die Mängel sind neben fehlendem Sachverstand oft Überarbeitung und falsche Routineverrichtungen.
Manchmal sind es aber auch fehlende Routinen. So fallen 209 Fehler in die Kategorie der "besonderen Ereignisse", die es eigentlich nicht geben dürfte, weil sie leicht vermeidbar wären. Darunter auch der falsch operierte Patient.Forderung nach Checklisten


Der Medizinische Dienst fordert deshalb die konsequente Anwendung von OP-Checklisten. "Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsproblem", sagte Gronemeyer und verlangte eine neue "Sicherheitskultur". Zudem forderte Gronemeyer ein bundesweites Register aller Behandlungsfehler, wie es andere Länder haben. Dann ließen sie sich systematisch auswerten, und man könne besser sehen, ob die ergriffenen Maßnahmen auch wirken.
Fehler könnten überall passieren, betonte Gronemeyer. Das Hauptthema sei daher ihre Vermeidung.

Alle Daten auf

mds-ev.de

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