"Ich habe hier meine Bilder gefunden"

Kurz vor Schluss bei den Dreharbeiten zur Romanverfilmung von "Tannöd" in Winterscheid (der TV berichtete): Regisseurin Bettina Oberli spricht über den Film, seine Darsteller und perfekte Eifeler Gastgeber.

Winterscheid. Eine karge Kammer in der Heltenbacher Mühle bei Winterscheid: Bett, Tisch, Stuhl. In einer Wandnische steht eine Muttergottes. Hauptdarstellerin Julia Jentsch ist gerade nach draußen, hat sich einen Mantel gegen die Kälte übergeworfen. „Mittagspause!“, ruft jemand. Es ist 17.15 Uhr und der Drehtag noch lange nicht zu Ende.

„Das hier ist die Kammer von Julia Jentsch“, sagt Regisseurin Bettina Oberli. „Heute drehen wir vor allem eine Dialogszene zwischen ihrer Hauptfigur Katrin und einer jungen Frau aus dem Dorf. Am Schluss wird Katrin abreisen, weil sie merkt, dass sie nicht willkommen ist.“

Ganz anders verhält es sich mit dem „Tannöd“-Team und seinen Winterscheider Gastgebern: Schauspieler Volker Bruch (gerade in „Der Baader-Meinhof-Komplex“ im Kino zu sehen) habe sogar ein „Bauernpraktikum“ auf dem Hof von Ortsbürgermeister Anton Knauf (seit Herbst 2009 amtiert sein Nachfolger – und Neffe – Leo Knauf) machen dürfen und dort richtig mitgearbeitet, erzählt Bettina Oberli. „Und dann kam auch noch ein Kalb zur Welt.“

„Winterscheid ist wirklich perfekt“, sagt die 36-jährige Schweizerin, die mit „Die Herbstzeitlosen“ vor zwei Jahren den erfolgreichsten Kinofilm ihres Landes nach „Die Schweizermacher“ gedreht hat. Überhaupt, die Eifeler: „Wunderbar“, sagt die Regisseurin. Die gäben nicht nur großartige Komparsen ab, sondern seien ihr ohnehin vertraut: „Sie sind mir nicht fremd, die Eifeler. Ich komme ja auch vom Land. Alle meine Ideen haben damit zu tun. Davon komme ich irgendwie nicht weg.“

Ihren vorigen Film habe sie nur im Emmental machen können, hat sie einmal gesagt. Jetzt ist das anders: „Tannöd“ basiert zwar auf einem wahren Mordfall aus den 1920er Jahren im bayrischen Oberfranken, wird aber im Sauerland und vor allem in der Eifel gedreht.

Und das funktioniert: Die Bilder, die das Buch hervorrufe, „die habe ich hier gefunden“, sagt Bettina Oberli. „Ich wollte ohnehin weg von diesem Bayern mit den geschnitzten Balkonen und den Geranien. Ich will nicht, dass man denkt: Ach, das ist Bayern, das hat nichts mit mir zu tun. Tannöd hat einen universellen Charakter, es ist eine Parabel über Gut und Böse – das ist das Spannende. Und es kann überall passieren.“

Für die Verfilmung haben die Regisseurin und die Drehbuchutorin Petra Lüschow einige Veränderungen vorgenommen: Der Roman hat keine zentrale Perspektive, keine Hauptfigur, deshalb wurde die von Julia Jentsch gespielte Katrin als dramaturgische Klammer eingebaut. „An sie hängen sich alle Perspektiven an“, sagt Bettina Oberli. „Und auch ihr stellt sich am Ende die Frage: Handelt sie gut oder böse?“

Das Buch sei ohnehin makellos, „es einfach abzufilmen, das wäre verschenkt. Wir haben es schon sehr frei interpretiert. Film ist ein anderes Medium. Und wir wollten eine andere cinematografische Ebene einbauen.“

„Die Herbstzeitlosen“ war zunächst fürs Fernsehen geplant. Erst als der Film fertig war, entschied sich der Verleih für eine Kino-Auswertung. „Tannöd“ hingegen ist von vornherein für die Leinwand vorgesehen: Eine internationale Produktion, bekannte und aufstrebende Stars, ein höheres Budget und ein größerer Stab – ist man da nervöser, wenn man die Verantwortung trägt?

„Nein. In dem Moment, wo die Kamera läuft und man inszeniert, ist es dasselbe“, sagt Bettina Oberli. „Natürlich ist das eine andere Maschinerie, es dauert länger, bis sie läuft. Aber dann ist es egal. Man hat natürlich immer Zeit- und Gelddruck. Aber ich kenne keinen Film, bei dem das nicht so ist.“

Stattdessen nutze sie jetzt die Möglichkeiten, die das Kino biete: „Da kann man auch einmal ein Bild stehen lassen – man muss keine Angst haben, dass die Zuschauer direkt wegzappen. Es ist schön, dass man sich diese Zeit nehmen kann.“

Wir sprechen über Monica Bleibtreu, die auch das preisgekrönte Hörbuch beeindruckend gelesen hat und darin jeder Figur eine unverwechselbare Stimme gab. Keine Frage, dass die Schauspielerin auch bei der Verfilmung dabei sein würde: „Wir haben sehr schnell gesagt, dass wir ihr das anbieten möchten. Sie durfte sich eine Rolle aussuchen.“

Monica Bleibtreu entschied sich für die Figur der Traudl Krieger, der Schwester der ermordeten Magd vom Danner-Hof: „ Sie ist eine große Freude, sie spielt das mit Leib und Seele. Sie ist das schlechte Gewissen des Dorfs, die personifizierte Schuld – und die Leute ertragen sie nicht. Für uns ist sie eine bayerische Kassandra: Sie ist zwar verrückt, aber sie sagt immer die Wahrheit.“

Wenn man als junge Regisseurin mit so renommierten Akteuren zusammenarbeitet – erstarrt man da nicht vor Ehrfurcht? „Nein. Man versteht sich sehr schnell auf einer professionellen Ebene. Wenn man zusammen eine Vision entwickeln kann, dann ist das alles egal. Es ist immer ein Geschenk, auf solche Schauspieler zu treffen, alles ist sehr unkompliziert. Einschüchterung – nein. Aber natürlich hat man Respekt.“

Das gelte allerdings für alle, die am Film beteiligt sind: „Wir haben eine sehr schöne Besetzung. Die Schauspieler sind toll, bis in die kleinsten Rollen. Ich bin sehr glücklich, auch mit der Crew. Es läuft alles wunderbar.“

Die Kulissen in der Dorfmitte sind bereits wieder abgebaut, fast nichts deutet mehr auf die Dreharbeiten hin. Bis Mitte kommender Woche bleibe man noch in der Eifel, sagt Bettina Oberli, dann geht es an die Nachbearbeitung. Der Film soll im November 2009 in die Kinos kommen.

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