Frauennotruf in Bedrägnis

"Für eine Welt, in der alle Menschen in Würde, Freiheit und Sicherheit leben können" - dieser Slogan ziert Flyer und Briefpapier des Notrufs Idar-Oberstein. Jenem Ziel wollen die Mitarbeiterinnen jeden Tag ein Stückchen näherkommen - was zunehmend schwieriger wird. Den Notruf plagen arge finanzielle Nöte.

Idar-Oberstein. Jährlich fehlen dem 1992 im Rahmen eines Modellprojekts des Landes ins Leben gerufenen Notruf (Fachstelle für sexualisierte Gewalt) 7500 Euro. Nun könnte das Jahr für Jahr verschleppte Loch in der Kasse Folgen haben: Möglicherweise wird eine der beiden Mitarbeiterinnen, Susanne Findler oder Barbara Zschernack, fünf Stunden weniger arbeiten müssen - angesichts der hohen Nachfrage nach den Notruf-Angeboten eine sehr bedenkliche Entwicklung, sind sich die mit dem Thema befassten Akteure einig.

Die beiden Sozialarbeiterinnen teilen sich ohnehin nur eine 40-Stunden-Stelle. Das Land überweist pro Haushaltsjahr 50 700 Euro, Kreis und Stadt schießen 5000 Euro zu. Den Kommunen könne man keinen Vorwurf machen; das Bemühen sei da - Kreis und Stadt müssten eigentlich überhaupt keinen Cent zahlen, erläutert Barbara Zschernack. Nun gehe es darum, gemeinsam und konstruktiv an einer dauerhaft tragfähigen Lösung, wie die Finanzkrise gemeistert werden könne, zu arbeiten.

Benefiz-Aktionen wie jüngst das Konzert im Stadttheater, das Chordirektorin Dagma Borchmann für den Trägerverein des Notrufs, "Frauen helfen Frauen", initiiert hatte, seien großartig, aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein und keine Dauerlösung. Das Ansehen als äußerst kompetente Anlaufstelle und das Leistungsspektrum des Notrufs sind über die Jahre hinweg stetig gewachsen: "Als Fachstelle zum Thema sexuelle Gewalt bieten wir seit 17 Jahren Beratungen für betroffene Frauen und Mädchen sowie deren Angehörige an. Ebenso können sich Menschen, die beruflich mit Betroffenen oder einem Missbrauchsverdacht konfrontiert werden, an uns wenden. Ferner bieten wir Begleitungen zur Strafanzeige oder zur Gerichtsverhandlung sowie Fortbildungen zur Gewaltprävention an." Seit 1993 hat der Notruf neben der Hauptzielgruppe seines Aufgabengebietes - der Beratung und Unterstützung für erwachsene Frauen nach einer Vergewaltigung - den Bereich der Verdachtsabklärung und des sexuellen Missbrauchs an Mädchen weiter aufgebaut: "Es wurden Vernetzungsstrukturen gestärkt und entwickelt. Neben Privatpersonen und Erzieherinnen in Kindertagesstätten nehmen auch Mitarbeiter des Stadtjugendamtes unsere Angebote regelmäßig in Anspruch."

Barbara Zschernack, seit 1993 beim Notruf tätig, geht davon aus, dass die Umsetzung neuer gesetzlicher Bestimmungen für Kindertagesstätten mit Blick auf Verdachtsabklärungen bei möglichem Missbrauch die Frequentierung der Beratungsstelle in der Mainzer Straße weiter erhöhen wird: "Bevor wir in aller Stille unser Angebot einschränken müssen, wollen wir mit den Verantwortlichen in Kontakt treten." Dieser Tage ging deshalb ein Brief an Bürgermeister Frank Frühauf raus. Ein möglicher Denkansatz: Der Notruf befasst sich intensiv mit Fragen und Fällen, die unter 14-Jährige betreffen - "vielleicht wäre da über den Etat der Stadt was aufzuteilen". Auch Bettina Schäfer, Vorstandsmitglied bei "Frauen helfen Frauen", hält die Entwicklung für bedenklich: "Von Vereinsseite kann das Loch im Etat des Notrufs nicht gestopft werden. Es wäre sehr bedauerlich, wenn wir Stunden kürzen müssten. Der Notruf leistet hervorragende Arbeit und hat sich zu einer extrem wichtigen Säule des Beratungsangebots in der Stadt und im gesamten Kreis entwickelt."

Info: Telefon 06781/455 99 (Notruf); Bankdaten: Volksbank Hunsrück-Nahe, Konto 464 69 76, BLZ 560 614 72

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