"Gott der Gerechte, was haben wir verbrochen?"

Das Bild vom Leben der Juden in Thalfang bekommt immer schärfere Konturen. Heimatforscher Elmar Ittenbach hält Kontakt zur Gedenkstätte "Yad Vashem" in Jerusalem. Am 20. April trifft sich der Arbeitskreis "Juden in Thalfang" erneut im Evangelischen Gemeindehaus.

 Heimatforscher Elmar Ittenbach legt Wilma Schmidt Bilder Thalfanger Juden vor. Nach über 70 Jahren kann sie sich jedoch an einzelne Gesichter nicht mehr erinnern. TV- Foto: Herbert Thormeyer

Heimatforscher Elmar Ittenbach legt Wilma Schmidt Bilder Thalfanger Juden vor. Nach über 70 Jahren kann sie sich jedoch an einzelne Gesichter nicht mehr erinnern. TV- Foto: Herbert Thormeyer

Thalfang. (doth) Den 10. November 1938, den Tag, als die sogenannte Reichskristallnacht Thalfang erreichte, vergisst Wilma Schmidt zeitlebens nicht. Das damals zwölfjährige Mädchen wurde Zeugin der Zerstörungswut an jüdischem Eigentum und Erniedrigung der jüdischen Bürger von Thalfang. "Unser Lehrer Heinrich Klein sagte damals vor der Klasse, dass die Reichskristallnacht angefangen habe und noch Informationen darüber im Radio kommen", erinnert sich die heute 84-Jährige.

Die Kinder sollten zu Hause bleiben, doch die Neugier trieb die kleine Wilma und einige Mitschüler von Bäsch nach Thalfang. Sie erlebte, wie Juden gezwungen wurden, ihre Bücher und historischen Schriftrollen aus der Synagoge auf dem Marktplatz zu verbrennen. "Die mussten sogar ihre Hosenträger abgeben und Schuhriemen lösen", weiß die Rentnerin noch genau. "Ich kann mich an Leute erinnern, die aufs Dach des Textilgeschäftes von Florentine, Karoline und Marianne Thal kletterten, um den Schornstein zu verstopfen", erinnert sich die Seniorin. Heimatforscher Elmar Ittenbach schlägt vor, an dieser Stelle der heutigen Straße "Im Eck" die ersten drei "Stolpersteine" zu installieren, die vom Arbeitskreis "Juden in Thalfang" geplant werden. Die kleinen Gedenksteine sollen ins Pflaster eingelassen werden, genau dort, wo die drei Schwestern lebten, die 1942 im Ghetto Litzmannstadt bei Lodz umgekommen sind.

Das Gedenkzentrum "Yad Vashem" in Jerusalem schickte Ittenbach mittlerweile Unterlagen mit Adressen von Angehörigen der Umgekommenen. "Wir müssen jetzt sehen, ob die Nachfahren, falls es noch welche gibt, mit unserer Art des Gedenkens einverstanden sind", sagt er.

Am Dienstag, 20. April, trifft sich der Arbeitskreis "Juden in Thalfang" um 19.30 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus. Jeder Interessierte ist willkommen. Extra Stolpersteine: Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat etwa 95 Prozent der Stolpersteine in bisher rund 500 Gemeinden Deutschlands verlegt. In der Region war er in Trier, Schweich, Losheim und Talling (Verbandsgemeinde Thalfang) aktiv. Europaweit sind laut Demnig bisher mehr als 20 400 Stolpersteine verlegt worden. Mit seinem 1993 gestarteten Projekt will Demnig, der selbst weder Täter noch Opfer in der Familie hat, nicht nur an jüdische Mitbürger erinnern, sondern auch an Opfer wie Roma und Sinti oder politisch Verfolgte. Je mehr Steine verlegt würden, desto größer sei die Chance, dass die Geschichte nicht vergessen werde. (urs)

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