Schwester fast erschlagen: Haftstrafe

Trier · Ein 22-jähriger Trierer ist vom Trierer Landgericht zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Er hat im Sommer seine vier Jahre jüngere Schwester fast erschlagen, weil sie von zu Hause ausgezogen ist und damit die Ehre der aus dem Irak stammenden Familie verletzt haben soll.

Trier. (wie) Als die Richterin das Urteil verkündet, lacht er, schüttelt den Kopf, greift seine Jacke und will aufstehen. Abbas A. will sich anscheinend nicht anhören, warum das Schwurgericht unter Vorsitz der Richterin Petra Schmitz ihn für viereinhalb Jahre ins Gefängnis schicken will. Der 22-Jährige hat während des gesamten seit Dezember laufenden Prozesses zumindest nach außen hin keine Einsicht gezeigt, dass das, was er am 15. Juli vergangenen Jahres seiner vier Jahre jüngeren Schwester vor ihrem Elternhaus im Trierer Stadtteil Tarforst angetan hat, Unrecht sein könnte. Dabei hat er die damals 17-Jährige nach Überzeugung des Gerichts geschlagen und versucht, sie mit einem Pflasterstein zu treffen. Er habe auf die Schwester getreten "wie auf einen Sack", sagt ein Zeuge aus. Nur mit viel Glück habe das Mädchen überlebt, sagt Oberstaatsanwalt Ingo Hromada.

Die junge Frau war zuvor zu Hause ausgezogen, weil sie unterdrückt worden sei. Auch von einer Zwangsverheiratung soll die Rede gewesen sein. Im Trierer Frauenhaus findet sie Unterschlupf. Doch ihr Bruder lauert ihr immer wieder auf, droht ihr, sie umzubringen. Im Juli vergangenen Jahres will sie von ihren Eltern eine Unterschrift unter einem Bafög-Antrag. Danach eskaliert die Situation. Abbas A., der sich als ungekröntes Familienoberhaupt versteht, will die durch den Auszug der Schwester verletzte Familienehre wieder herstellen. Davon ist das Gericht überzeugt, auch wenn die junge Frau während des Prozesses ihren Bruder in Schutz nimmt. Zunächst war der 22-Jährige wegen versuchten Totschlags angeklagt. Oberstaatsanwalt Hromada forderte gestern eine Gefängnisstrafe von viereinhalb Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Dem folgte das Gericht. Eine Tötungsabsicht sei nicht zu erkennen, hieß es. Motiv für die Tat sei der kulturelle Hintergrund der Familie, der mit dem Wunsch nach Selbstständigkeit der Tochter nicht vereinbar sei. Der Anwalt des 22-Jährigen kündigte Rechtsmittel gegen das Urteil an.

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