Immer mehr Missbrauchsopfer brechen ihr Schweigen

Trier · Beim Missbrauchs-Beauftragten des Bistums Trier, Prälat Rainer Scherschel, haben sich am Mittwoch drei weitere Opfer gemeldet, die ein Kaplan in den 1960er Jahren in Trier missbraucht haben soll. Auch aus dem ehemaligen Eifel-Internat Biesdorf wurde ein neuer Fall bekannt.

Die Berichte über von katholischen Geistlichen missbrauchte Kinder und Jugendliche ermutigen offenbar immer mehr Betroffene, sich nach teils jahrzehntelangem Schweigen zu äußern. Allein im Fall eines ehemaligen Kaplans und Priesters, der zwischen 1962 und 1973 in den Kreisen Daun, Bitburg und in Trier sich an mehreren Jugendlichen vergriffen haben soll, meldeten sich gestern beim Bistum drei weitere Opfer.

Alle drei waren Messdiener einer Trierer Pfarrei, in die der damals 31-jährige Kaplan strafversetzt worden war, nachdem er in seiner vorherigen Pfarrei einen Messdiener sexuell missbraucht hatte. Seit einer Woche ist dem Bistum bekannt, dass der ursprünglich aus dem Saarland stammende Mann in seiner Trierer Kaplanszeit mindestens sechs Messdiener missbraucht haben soll. Das sagt ein ehemaliger Ministrant.

Ob es sich bei den drei Opfern, die sich gestern beim Missbrauchsbeauftragten Rainer Scherschel gemeldet haben, um neue Fälle handele oder ob sie unter die schon bekannten fielen, sei noch unklar, sagt Bischofssprecher Stephan Kronenburg. Grund: Das Bistum kenne nicht alle Namen der von den Übergriffen betroffenen Messdiener.

Bischof Stephan Ackermann, der seit Montag in Freiburg am Treffen der deutschen Bischöfe teilnimmt, wird heute Abend in Trier zurückerwartet. Ob er sich dann erneut zum Thema Missbrauch äußern wird, steht nach Angaben seines Sprechers noch nicht fest. Der Bischof sei in den vergangenen Tagen über die Vorfälle im Bistum aber laufend informiert worden.

Allen Opfern, die sich beim Bistum gemeldet haben, wird laut Kronenburg zunächst ein Gespräch mit dem Missbrauchsbeauftragten angeboten: „Dabei einigt man sich auch über das weitere Vorgehen.“ Eine finanzielle Entschädigung der Opfer ist dabei offenbar kein Thema. Bislang habe auch noch niemand Geld gefordert, sagt Kronenburg.

Strafrechtlich hat der ehemalige Kaplan, dem die Vorwürfe gelten, offenbar nichts zu befürchten. Er schied bereits 1973 aus dem Priesterdienst aus, nachdem er eine Frau geschwängert und geheiratet hatte. Danach zog der heute 76-Jährige in eine rheinland-pfälzische Stadt und war bis zu seiner Pensionierung Religionslehrer an einem Gymnasium. Weil die „Altfälle“ längst verjährt sind, kann die Staatsanwaltschaft kein Verfahren mehr einleiten. Mit einem Ermittlungsverfahren müsste der ehemalige Pastor nur rechnen, wenn Übergriffe bekannt würden, die sich in den vergangenen zehn Jahren ereignet haben. „Wir können ja nicht einfach ins Blaue hinein ermitteln“, sagt Triers Leitender Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer.

Auch aus dem ehemaligen katholischen Internat Biesdorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) werden immer mehr Missbrauchsfälle aus den 60er Jahren bekannt. Gestern meldete sich ein 58-Jähriger aus dem Kreis Cochem-Zell bei unserer Zeitung, der von 1962 bis 1965 auf der Schule war und angibt, von einem Pater, der als Mathematiklehrer tätig war, missbraucht worden zu sein. Bislang habe er mit niemandem über die Vorfälle gesprochen, sagte der Mann. Auch seine Familie wisse nichts davon.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass Mitte der 60er Jahre ein Schüler von einem Pater in dem Internat missbraucht worden ist. Daraufhin meldete sich am Dienstag ein Mann aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich beim TV: Auch er sei damals Opfer sexuellen Missbrauchs in dem Internat geworden.

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