Advent, Advent, ein Lichtlein brennt ...

Nur noch gut viereinhalb Wochen, dann ist endlich Heiligabend. Lucky freut sich schon. Damit ihm die Zeit bis dahin nicht zu lang wird, zündet er jetzt jeden Sonntag eine Kerze auf dem Adventskranz an. Warum es den gibt und warum es genau vier Kerzen sind, hat Lucky von Pfarrer Guido Hepke erfahren.

Trier. Endlich, am Sonntag ist der erste Advent. Lucky ist schon ganz gespannt darauf, endlich die erste der dunkelroten Kerzen auf seinem Adventskranz anzuzünden. Doch warum sind es nur vier, fragt er sich. Die TV-Leseratte würde am liebsten jeden Tag eine neue Kerze anstecken - bis zum Heiligabend.
Eine Kerze für jeden Tag


"Der erste Adventskranz hatte 24 Kerzen", erzählt Pfarrer Guido Hepke aus Trier, "20 rote und vier weiße - für die vier Adventssonntage." Ab dem ersten Advent seien für jeden Werktag eine kleine rote und für jeden Sonntag eine große weiße Kerze angezündet worden, bis Heiligabend. So ändert sich die Anzahl der Lichter jedes Jahr.
Lucky rechnet. Insgesamt 22 Lichter müsste dann ein Adventskranz haben, wenn Christ abend auf einen Sonntag und damit auf den vierten Advent fällt. Und dieses Jahr - Heiligabend ist samstags - sogar 28. Die TV-Leseratte schaut auf ihren kleinen Kranz mit den Goldschleifen. Da passen niemals so viele Kerzen drauf. Der erste Adventskranz habe aus einem Wagenrad bestanden, erklärt Hepke. Das habe anfangs keine Verzierung gehabt; Tannengrün habe es erst 20 Jahre später gegeben.
Erfunden hat den Adventskranz der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern im Jahr 1839 - also vor 172 Jahren. Sechs Jahre zuvor hat Wichern in der Nähe von Hamburg das Rauhe Haus, ein Waisenhaus für Jungs, aufgebaut. Die Zeiten seien damals sehr hart gewesen, vor allem für Kinder, sagt Hepke. Die Familien zogen in Scharen vom Land in die Stadt, weil sie sich dort ein besseres Leben erhofften. Stattdessen erwarteten sie kleine schäbige Wohnungen, wenig Lohn und lange Arbeitszeiten von mehr als zwölf Stunden.
Wenn die Eltern krank wurden oder bei der harten Arbeit verunglückten, habe es keine Familie gegeben, die den Sprösslingen geholfen habe, sagt der 46-Jährige. Wichern habe die Kinder eingesammelt und in seinem Haus versorgt. Er habe Geldgeber und Helfer gesucht, die ihn bei seiner Arbeit unterstützten. Dass die Kinder religiös erzogen wurden und eine Schule besuchten, sei für Wichern eine Selbstverständlichkeit gewesen. Und das in einer Zeit, in der viele Kinder nicht lernen durften, sondern arbeiten mussten, damit die Familie genug zu essen hatte.
"Für diese Waisenkinder war die Zeit vor Weihnachten besonders bitter", sagt Pfarrer Hepke. "Wichern hatte die Idee, die Adventszeit bewusst zu gestalten, mit abendlichen Andachten." Und so erfand er den Kranz mit den vielen Kerzen, damit die Kinder die Tage bis Weihnachten abzählen konnten. "Das ist megamäßig angekommen!" Zuerst habe es diese Aktion nur im Rauhen Haus gegeben. Nach ein paar Jahren hätten es auch andere Jugendhäuser übernommen; bald sei es "deutschlandweit rund gewesen in evangelischen Gemeinden", später dann auch bei den Katholiken.
"1925 hing der erste Adventskranz im Kölner Dom", weiß Hepke. "Von Deutschland hat er dann seinen Siegeszug angetreten in andere Länder." Zuerst in den skandinavischen Ländern, in England und den USA; aber auch im katholischen Irland. Dort hat er übrigens fünf Kerzen: drei lila, eine rosa für die Adventssonntage und eine weiße Kerze, die am Weihnachtstag angezündet wird.
Irgendwann seien einige Menschen auf die Idee gekommen: "So was will ich auch zu Hause", sagt Hepke. Und weil ein Wagenrad nicht ins Wohnzimmer passt, wurden die Kränze kleiner und erhielten nur noch vier Kerzen - für jeden Adventssonntag eine.
Extra

Johann Hinrich Wichern wurde 1808 als erstes von sieben Kindern in Hamburg geboren. Als sein Vater starb, musste der 15-jährige Johann Hinrich Nachhilfe- und Klavierstunden geben, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Später verließ er das Gymnasium und arbeitete als Erzieher, machte dann das Abitur und studierte Theologie. Er wurde Lehrer in einem Hamburger Armenviertel, wo er 1833 das Rauhe Haus gründete. Die Kinder lebten dort in familienähnlichen Strukturen. Wichern gilt als Gründer der sogenannten Inneren Mission, die den Glauben der Menschen innerhalb der evangelischen Kirche wiedererwecken wollte. Außerdem war er von 1856 bis 1872 Direktor des Gefängnisses Moabit in Berlin, das Gefangene in Einzel-, nicht mehr in Gemeinschaftszellen unterbrachte. Wichern starb 1881 mit fast 73 Jahren in Hamburg. mehi

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort