Immer der Sonne entgegen: Der Internationale Frauengarten im Trierer Stadtteil Ehrang

Mit geschlossenen Augen könnte es fast die Provence sein. Die Schultern brennen von der starken Sonne, der Lavendel duftet unglaublich intensiv.

Immer der Sonne entgegen: Der Internationale Frauengarten im Trierer Stadtteil Ehrang
Foto: (g_pol3 )

Zwei Schritte weiter, und der Geruch von Oregano und Rosmarin konkurriert mit dem Lavendel, bis er, noch eine Fußlänge weiter, ganz und gar dominiert. Hummeln brummeln, ansonsten ist es still. Nur in der Ferne, da rauscht … ein Zug.

Augen auf. Es ist nicht Südfrankreich, sondern Trier-Ehrang. Nicht gerade ein klassischer Urlaubsort, und doch ist dieses grüne Fleckchen, der Internationale Frauengarten, ein Raum des Rückzugs, eine Auszeit vom Alltag für die rund 30 Frauen, die dort eine Parzelle bewirtschaften. Viele von ihnen haben dieses kleine Stück mal penibel gepflegte, mal ein bisschen überwucherte Paradies bitter nötig. Sie sind vom Frauennotruf Trier vermittelt worden, und oft haben sie Gewalt oder andere Traumata erlebt.

"Es ist für diese Frauen wichtig, Aufgaben zu übernehmen, ihr Leben wieder zu strukturieren und den Kontakt zu anderen aufzunehmen", sagt Rita Keil vom Frauennotruf. Regelmäßig gießen, Pflänzchen ziehen, die Früchte ihrer Gartenarbeit ernten - all das bietet den Frauen, die besonderen Schutz brauchen und ihn im Garten auch finden, ein bisschen Normalität. Und schafft Selbstvertrauen.

Die oft scheuen Frauen müssen lernen, wieder Kontakte zu knüpfen, und das gehe über das Gesprächsthema Garten sehr gut. Egal, wo sie herkommen und was sie erlebt haben - im Frauengarten sind die Probleme nur am Rande ein Thema.

Dort geht es ums Pflanzen, Wachsen, Ernten und Verarbeiten. Um Frauen, die ihre Wurzeln verloren haben, wieder Wurzeln zu schenken. Keil: "Damit sie die Köpfe wie die Pflanzen wieder ein bisschen in Richtung Sonne strecken." Und im besten Fall aufblühen.

Ein Thema, das aber immer wieder hervorkriecht: die Schneckenplage. Nur in diesem Jahr gibt's keine Schnecken, sondern richtig viel Hitze und viel zu wenig Regen - darin sind sich alle einig.

Hobbygärtnerin Hannelore kümmert sich gerade um ihre Himbeersträucher, sie ist schon seit den Anfängen des Frauengartens dabei. "Ich wollte die Frauen beim Gärtnern unterstützen", sagt die 77-Jährige. Mittlerweile hätten ein paar von ihnen sogar mehr Ahnung als sie, erkennt sie neidlos an. Ohnehin geht es darum, sich gegenseitig zu helfen und voneinander zu lernen. Die Migrantinnen verbessern ihre Sprachkenntnisse, und die deutschen Frauen erhalten im Gegenzug neue, spannende Rezepte und Zubereitungsarten für ihr angebautes Gemüse.

Der anderthalbjährige Alex hat den Gartenschlauch für sich entdeckt und ist in nullkommanix von oben bis unten nass. Mama Sabine stört's nicht, denn sie ist hier in ihrem Element. Und das soll der Kleine auch sein. Ihre Parzelle, die sie sich mit ihrer Schwester teilt, hat ihr kurz nach Alex' Geburt über eine schwere Zeit hinweggeholfen. "Ich litt an einer Wochenbettdepression", erzählt die junge Mutter.

Eine Zeit lang konnte sie sich zu nichts aufraffen, nichts hat ihr mehr Spaß gemacht. "Aber ich wusste, dass ich meine Blümchen gießen muss, damit sie nicht vertrocknen. Ich musste also vor die Tür, und deshalb ging es mir bald wieder besser."Extra

Der Internationale Frauengarten in Trier-Ehrang ist aus einem Projekt im Zuge der Landesgartenschau 2004 entstanden, das sehr beliebt war. Dauerhaft ansässig wurde er ein Jahr später auf dem Gelände des ehemaligen Gärtnereibetriebs Lautwein an der Ehranger Straße. Betreut wird das Projekt von Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs Trier. Grundgedanke ist es, dass Einheimische und Migrantinnen dort ein Stück Land bewirtschaften können; so arbeiten dort derzeit auch Frauen mit türkischen, bulgarischen, libanesischen und thailändischen Wurzeln. Neben den Einzelparzellen, die jede Pächterin in Eigenverantwortung bearbeitet, gibt es Gemeinschaftsflächen, an deren Gestaltung alle Frauen beteiligt sind. bec

Weitere Informationen: frauengarten-trier.de

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