Jeden Moment ein Kompliment

Haben Sie schon mal einem fremden Menschen ein Kompliment gemacht? Nein? Dann wird es höchste Zeit. TV-Reporterin Sarah Schmidt hat sich getraut.

Eine Geschichte über schöne Zahnschmerzen und ägyptische Komplimente. Ein Ort des Schmerzes. Ein Ort der Angst. Ein Ort für unangenehme Geräusche. Nicht für alle, aber definitiv für viele. Es ist morgens acht Uhr. Weniger gut gelaunt drücke ich die Tür zur Praxis auf. Mein Zahnfleisch brennt. Die Zahnarzthelferin lächelt mich an. Auf ein kurzes Gespräch folgt Zimmer Nummer drei. Auch hier werde ich freundlich angelächelt. Die Helferin erklärt mir, dass heute viel Stress ist. Und? Lacht. Ich liege auf dem Stuhl, schaue zur Decke, und denke nach.

"Los! Mach es!" schallt es durch meinen Kopf. "Trau dich!" Ich stehe langsam vom Stuhl auf und laufe zum Nebenraum. Mein Herz klopft. "Entschuldigen Sie bitte", sage ich etwas schüchtern. "Ich muss Ihnen mal was sagen … Sie und das Team sind alle so freundlich hier." Jetzt lächelt die Arzthelferin nicht mehr, sie strahlt und bedankt sich mehrfach. Eine zweite Arzthelferin kommt in den Raum. "Heute brauchen wir aber kein Lätzchen", sagt sie und grinst. "Ich hoffe nicht", antworte ich.

Kurz darauf sehe ich Zahnarzt Thomas Mack. Ein Mann mit Igelfrisur, der Zahnbürsten mit Staubsaugern vergleicht. Und der sich freut, wenn man keine Zahnseide benutzt, weil er dann ein paar Moneten mehr in der Tasche hat - selbstverständlich nicht ernst gemeint. Nein. Er nimmt einem die Angst vorm gefährlichen Zahnarztstuhl. Er und sein Team kehren die Sache einfach um: ein Ort der Freude. Ein Ort des Lächelns. Ein Ort für angenehme Unterhaltungen. Mein erstes Kompliment ist gemacht. Geschafft. Das kostet tatsächlich Überwindung. Vielleicht, weil wir viel zu selten Komplimente machen?

In Tunesien und Ägypten scheint das anders zu sein. Das erfahre ich, nachdem ich den sympathischen Ahmed Mansour getroffen habe. Er ist seit zwei Jahren glücklich verheiratet und hat mit seiner Frau Imen Mansour einen ägyptischen Imbiss eröffnet. "Macht Ihnen Ihr Mann Komplimente?", frage ich. "Uh, viele. Jeden Tag viele. Er macht's ständig", sagt sie.

Umso besser ist es, dass ich ihm heute ein Kompliment geschenkt habe. Denn Mansour kann nicht nur schöne Dinge sagen, er hat eine enorme Ausstrahlung. Er spricht nicht viel, er arbeitet ruhig und entspannt. Mit seiner kirschroten Kochuniform läuft er von links nach rechts und bereitet die Bestellung vor. Immer mit einem Grinsen im Gesicht. Und wenn er richtig lacht, ist es ansteckend. Ich mache ihm das Kompliment. Er freut sich. Doch das Interessante daran ist, dass er unverändert bleibt. Er wirkt genauso fröhlich wie vorher. Sowohl mit als auch ohne Kompliment.

Während meines Markteinkaufes treffe ich auch eine Fröhlich-Frau. "Schatzilein" schallt es über den Platz. "Ich gebe dir noch zwei Zwiebelchen mit". Die sympathische Marktfrau mit der weiß gepunkteten Schürze streckt mir zwei Zwiebeln entgegen. Ihre pink lackierten Nägel passen zu ihrer sonnigen Stimmung. Ihren Namen möchte die Obst- und Gemüseliebhaberin nicht in der Zeitung sehen: "Dann werde ich hier wieder jedes Mal angesprochen", sagt sie.

Doch freundliche Gesichter gibt es nicht nur am Gemüsestand. Sie begegnen einem jederzeit. Achten Sie mal darauf! Zum Beispiel, wenn Sie eine Chai Latte bestellen … dann treffen Sie vielleicht auf Lisa Schwind, die Sie mit einem wunderschönen Lächeln empfängt. "Ich wollte Ihnen nur mal sagen, dass Sie eine sehr freundliche Bedienung sind", sage ich ihr, nachdem ich fünf Minuten auf meinem Stuhl im Café gesessen und darüber nachgedacht habe, wie ich meinen Satz formulieren soll. Die Sorgen waren unbegründet: Die Studentin aus Trier freut sich. Auch sie verteilt gerne mal ein Kompliment: "Ich sage meiner Oma jeden Sonntag, dass sie einen ganz leckeren Kuchen gebacken hat und ich es schön finde, bei ihr zu sein."Extra Bloggerin Rosa Stark

Rosa Stark ist mit Ihrem Blog " a compliment a day " ("Ein Kompliment pro Tag") schon von vielen Zeitungen interviewt worden. Sie versucht jeden Tag ein Kompliment zu machen und schreibt anschließend über Ihre Erfahrungen. Dem TV erzählt Sie, dass sie obwohl sie bisher über 2000 Komplimente verteilt hat, sich weiterhin überwinden muss: "Ich bin immer etwas unsicher dabei. Auch nach einem Jahr. Da hilft nur: Einfach machen." Und sie freut sich darüber, dass Andere ihr Experiment ausprobieren: "Das find ich klasse. Du bist die Erste, die ich kenne, die das auch wirklich gemacht hat", sagt sie während des kurzen Interviews. sjs

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