Wo die Sehnsucht hingeht

Ein Textilgroßhändler aus Düsseldorf gründet eine wohltätige Stiftung in Trier. Seine beiden ehemaligen Banker Peter Mischo und Peter Hoffenbach werden Vorstandsmitglieder und erhalten damit ein großes Erbe: Jede Menge Geld für gute Zwecke.

 Verwalten die Stiftung: Peter Hoffenbach und Peter Mischo. TV-Foto: Stefanie Braun

Verwalten die Stiftung: Peter Hoffenbach und Peter Mischo. TV-Foto: Stefanie Braun

Foto: (g_pol3 )

Und jede Menge Fotos und Briefe einer großen Liebe. Eine Frau steht elegant vor einer Brüstung, die Haare sind kurz mit einer leichten Dauerwelle, im typischen 1950er-Jahre-Schnitt. Hinter ihr der Ausblick auf den Urlaubsort. Könnte Italien sein. Dieselbe Frau, dieselbe Frisur, ein anderes Kleid, auf einem Kiesschotterweg.

Vielleicht ein Schnappschuss von einem Sommerspaziergang. Noch einmal diese Frau; sie blickt über die Schulter in die Kamera, ein Kostüm in einer zarten Farbe, welche genau, ist auf dem Foto nicht mehr zu erkennen. Auf jedem Bild ziert sie ein sanftes Lächeln, ein zurückhaltender Blick. Sie wirkt bescheiden, aber glücklich.

Peter Hoffenbach (40) und Peter Mischo (47) breiten ein Foto nach dem anderen auf dem großen Konferenztisch der Antonia Ruut Stiftung aus. Auf fast allen ist die Frau und Namensgeberin zu sehen. Sie oder der Schäferhund. Man muss gar nicht fragen, man sieht es wohl, meint Peter Mischo. Sie war der Mittelpunkt von Gustav Ruuts Leben. Er war stolz darauf, eine solche Frau für sich gewonnen zu haben, und sie war seine große Liebe, meint Peter Mischo.

Dabei war Gustav Ruut keine gute Partie. In Estland geboren, führten ihn die Wirren des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland. Er schlug sich als Textilhändler durch, fuhr mit seinen Waren über Stadt und Land. Wie sich Gustav Ruut und seine spätere Frau dabei kennengelernt haben, wissen die beiden Vorstandsmitglieder Hoffenbach und Mischo nicht. In welchem Jahr die beiden geheiratet haben, steht in den Akten: 1954.

Die ersten Jahre als Textilhändler waren geprägt von harter Arbeit, taffen Verhandlungen und wenig Freizeit. Gustav Ruut war ehrgeizig. Mischo und Hoffenbach haben Ruut Mitte der neunziger Jahre dann als Textil-Großhändler kennengelernt. Beide waren Banker, über mehr als ein Jahrzehnt hatten sie fast täglich mit Ruut zu tun. Oft telefonisch, da sie in Trier waren und er seine Firma in Düsseldorf hatte. Manchmal aber auch in der Stadt am Rhein und gegen Ende hin auch immer wieder privat.

Antonia Ruut haben sie nie kennengelernt. Als sie mit Gustav Ruut gearbeitet haben, war sie bereits seit mehr als zehn Jahren tot. 1983 starb sie an Krebs. "Sie hatte die Krankheit lange vor ihm verheimlicht", meint Mischo. "Im Prinzip so lange, bis sie sich nicht mehr verheimlichen ließ", sagt Hoffenbach. Als er es erfuhr, waren es nur noch wenige Wochen. Verpflichtungen banden Ruut an die Arbeit. Als es zu Ende ging, war er aber bei ihr.

Er selbst starb 2006, 23 Jahre nach seiner Frau, an einem Herzinfarkt. Nur ein Jahr nachdem er die Antonia-Ruut-Stiftung mit Hoffenbach und Mischo im Vorstand gegründet hatte. "Die Stiftung ist das Erbe der beiden. Er hat sie gegründet in dem Wissen, dass sie erst richtig anfangen kann zu leben, wenn er nicht mehr lebt", sagt Mischo. Deshalb hat die Stiftung ihren Sitz auch dort, wo die Vorstandsmitglieder Mischo und Hoffenbach leben.

Zum Erbe gehören auch die Fotos und die zahlreichen Briefe, die sich die beiden Eheleute geschrieben haben, wenn sie getrennt waren. "Es war eine romantische, innige Bindung. Sie haben sich mit Kosenamen angesprochen", erzählt Hoffenbach. Mutti und Vati nannten sie sich. "Da kann man sehen, wo eine Sehnsucht der beiden hinging", meint Mischo."

"Er hat ihren Tod nie wirklich verwunden", weiß Mischo. Das ging so weit, dass an jedem freien Platz in der Wohnung die Fotografien von ihr hingen, dass er im Wohnzimmer saß und mit ihr sprach, auch noch Jahre nach ihrem Tod. "Er wollte ein Andenken an sie schaffen", erklärt Hoffenbach. Deswegen heißt die Stiftung, die er mit dem Nachlass seines Vermögens gegründet hat, Antonia-Ruut-Stiftung.

Schaut man in den ersten Punkt der Stiftungssatzung, steht dort, dass Gelder dazu verwandt werden sollen, dass Menschen Zeit mit erkrankten Angehörigen verbringen können. Wie viel Geld es war, das der bescheiden lebende Textilgroßhändler hinterlassen hat, wollen die beiden Vorstandsmitglieder nicht sagen. Nur so viel: Es handelt sich wohl um einen achtstelligen Betrag.Extra

Die Antonia Ruut Stiftung unterstützt weltweit vielfältige Projekte, wie ein Solarbrunnenprojekt in Äthiopien. Außerdem beliefern sie seit 2009 gemeinsam mit dem Deutschen Medikamentenhilfswerk Mercy Ships in Westafrika. Projekte in Deutschland sind jedoch immer auf Trier und seine Umgebung ausgelegt. Darunter fallen unter anderen zwei Projekte für Kinder aus sozial schwachen Familien, in denen sie zum einen etwas über gesunde Ernährung und zum anderen Schach spielen lernen. In dem Projekt Papillon bietet die Stiftung Kindern von an Krebs erkrankten Eltern Unterstützung an. Und in dem Projekt Herzenssache erfüllen sie todkranken Kindern und Erwachsenen einen Wunsch. sbra

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