Zug durch die Porta als Befreiungsschlag

Im Oktober 1949 schlägt der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland erneut eine historische Stunde. Gut 100 Jahre nach der Gründung der ersten Gewerkschaft in Deutschland (1848/Buchdruckerverband) nimmt die Arbeitnehmerbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuen Anlauf.

Zug durch die Porta als Befreiungsschlag
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Der Deutsche Gewerkschaftsbund wird gegründet. Im Oktober 1949 wird in München der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Bundesrepublik Deutschland ins Leben gerufen. Hans Böckler wird der erste DGB-Vorsitzende. Während in den Arbeiterhochburgen in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland die Gewerkschaftsbewegung schnell große Unterstützung erhält, geht es in der Region Trier nur sehr gemächlich voran.

Doch die Idee hat sich auch in der Region fest eingepflanzt. In den Anfangsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es noch zwei Gewerkschaftshäuser in der Region Trier. In der Petrusstraße 31/32 hat der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) seinen Sitz, in der Dietrichstraße hat der Christliche Gewerkschaftsbund sein Domizil.

105 Jahre war das Gewerkschaftshaus in der Petrusstraße, bevor man 2001 in das Haus der Gewerkschaften in die Herzogenbuscher Straße zog.

"Damals war den Gewerkschaften bewusst, dass sie alleine zu wenig Macht haben. Es war ihnen nicht gelungen, die Nazis zu verhindern. Allein war man zu schwach, gemeinsam, als DGB, ist man stark", erinnert Karl-Heinz Päulgen an die Geburtsstunde. Von 1975 bis 2009 war Päulgen im DGB aktiv, 20 Jahre davon als DGB-Chef in der Region Trier. Mit Fridolin Theisen und Josef Endres hatte Päulgen zwei Vorgänger im DGB-Kreisverband Trier. Der Verband, der dem alten Regierungsbezirk Trier entsprach, war bis zur Wiedervereinigung der flächenmäßig größte DGB-Verband in ganz Deutschland. Doch, was die Mitgliederentwicklung anging, konnte die Region bei weitem nicht mit wirtschaftlichen Zentren in der Bundesrepublik mithalten. In den ersten Jahren sei es für Gewerkschaften sehr schwer gewesen, an der Mosel Fuß zu fassen. "Hier gab es keine gewachsene Arbeiterschaft wie im Saarland oder in NRW", sagt Päulgen. Viel Überzeugungsarbeit sei nötig gewesen, um den Menschen die Gewerkschaftsideen, Betriebsräte oder gar Streiks näherzubringen.

"Wenn wir früher einen Mitarbeiter von einem Streik überzeugen wollten und ihm erklärten, er bekomme Streikgeld, haben die meisten nur gelacht. ,Das brauche ich nicht, da verkaufe ich eben eine Kuh oder ein Fuder Wein mehr'", habe man ihm oft geantwortet, erzählt Päulgen von der mühevollen Arbeit in den 60ern. "Wir waren damals in Trier Gewerkschafts-Diaspora."

Doch in den folgenden Jahren wurde der DGB immer mehr akzeptiert, von den Parteien, von den Kirchen und vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung. Als 1978 zum ersten Mal in Trier streikende IG Metaller mit Fahnen und Transparenten durch die Porta Nigra zogen, war das für Karl-Heinz Päulgen auch symbolisch eine Art Durchbruch. Mitarbeiter der Trier er Firma Laeis waren in einen Warnstreik getreten. 1978 ging es um einen höheren Urlaubsanspruch. Wochenlang wurde gestreikt, erst 1981 in den ersten Branchen der Sechs-Wochen-Urlaub erreicht.

Doch vielmehr als der bundesweite Abschluss sorgte in der Region die Tatsache für Aufsehen, dass Arbeitnehmer auch hier für ihre Rechte streiken. "Es ging wie ein Rauschen durch die Region", erinnert sich Päulgen.
Inzwischen gehören den acht im DGB organisierten Gewerkschaften rund 30 000 Mitgliedern. Das Selbstbewusstsein, das die Gewerkschaftsmitglieder damals gezeigt hätten, habe die Entwicklung positiv beeinflusst, findet Päulgen-Nachfolger Christian Z. Schmitz.

Der erst vierte DGB-Chef in der Region erinnert an die vielen gesellschaftlichen Erfolge, die Gewerkschaftsmitglieder errungen haben. "Altersversorgung, Gesundheitsschutz oder die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind nur drei Themenschwerpunkte die man beispielhaft nennen kann", sagt Schmitz. Die Mitbestimmung in den Betrieben trage ihre Früchte bei der Humanisierung der Arbeitswelt. Die Aufgaben werde den Gewerkschaften auch in Zukunft nicht ausgehen, findet Schmitz.

1978, Trier, Porta Nigra - das Datum wird im Bewusstsein der Gewerkschafter ein besonderer Termin sein.

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