Die Chance der Eifel in der Krise

Bitburg · 60 Schüler, drei Experten, viele Fragen: Im Rahmen des KLASSE!-Projekts veranstalteten TV und Volksbank Bitburg eine Schüler-Pressekonferenz zum Thema Finanzkrise.

 Sie standen den Schülern bei der Pressekonferenz in Bitburg als Experten Rede und Antwort: Dirk Kleis (Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft), Andreas Theis (Vorstand Volksbank Bitburg) und Hans-Peter Bell (Vorstand Raiffeisenbank Irrel). Foto: Björn Pazen

Sie standen den Schülern bei der Pressekonferenz in Bitburg als Experten Rede und Antwort: Dirk Kleis (Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft), Andreas Theis (Vorstand Volksbank Bitburg) und Hans-Peter Bell (Vorstand Raiffeisenbank Irrel). Foto: Björn Pazen

 60 Schüler informierten sich bei der KLASSE!-Pressekonferenz bei der Volksbank Bitburgüber das Thema Finanzkrise und deren Auswirkung auf die Eifel. Foto: Björn Pazen

60 Schüler informierten sich bei der KLASSE!-Pressekonferenz bei der Volksbank Bitburgüber das Thema Finanzkrise und deren Auswirkung auf die Eifel. Foto: Björn Pazen

Bitburg. (BP) Warum hat ein Eifeler Anleger Geldsorgen, wenn in den USA Immobilienkredite platzen? Warum geht es der Eifel in der Finanzkrise besser als anderen Regionen? Führt die Krise zu weniger Ausbildungsplätzen? Fragen über Fragen hatten die rund 60 Schüler vorbereitet, die am Montag zur ersten KLASSE!-Pressekonferenz mit Volks- und Raiffeisenbanken gekommen waren. Die drei Experten Andreas Theis (Vorstand Volksbank Bitburg), Hans-Peter Bell (Vorstand Raiffeisenbank Irrel) und Dirk Kleis (Geschäftsführer Kreishandwerkerschaft) hatten aber alle Antworten parat. Zunächst erläuterte Theis, wie es zur Krise kam, während Bell die besondere Grenzlage zu Luxemburg und die daraus resultierenden positiven Effekte analysierte. Kleis wiederum machte den Schülern Mut, denn er konnte von guten Zahlen aus dem Handwerk berichten. "Unsere kleineren Betriebe sind krisensicherer, zudem ist die Eifel nicht von einer Branche abhängig und der Ausbildungsmarkt stabil", sagte er. Alle drei hielten ein flammendes Plädoyer, gerade in der Krise in der Region zu bleiben und auch hier zu kaufen. "Wer nur Billigprodukte beim Discounter kauft, sorgt dafür, dass die kleinen Bäcker und Metzger dichtmachen", meinte Kleis.
Was die Zukunft der Banken in der Krise betrifft, wünschte sich Theis eine Glaskugel: "Man muss erst sehen, wie die Werte genau sind, die in den Bilanzen stehen." Für die Genossenschaftsbanken betonten Theis und Bell allerdings: "Wir fahren seit 150 Jahren mit unserem Konzept gut, weniger riskant zu investieren und dafür den Kunden zwar einen geringeren, dafür aber sichereren Zinssatz zu geben." Bell sprach in puncto Rettungsschirm für Banken von "teilweiser Wettbewerbsverzerrung: Banken erhalten Millionen vom Staat, versuchen aber nun, anderen Banken, die solide gewirtschaftet haben, die Kunden mit Lockangeboten abzujagen."
Dass fast die komplette regionale Wirtschaft zumindest im Entfernteren auch von der Globalisierung abhängt, betonten alle Experten. Zum Beispiel im Hinblick auf Bitburg als Autostadt und die Abhängigkeit eines kleinen Zulieferers von der Weltmarktentwicklung im Autosektor. Ein Für und Wider gab es zum Thema Abwrackprämie. "Sie hat die Krise im Handel entschärft", lautete eine Meinung, "deutsche Firmen haben kaum profitiert", eine andere. Das Fazit aller Beteiligten: Die Finanzkrise ist eine Chance, gerade für eine Region wie die Eifel, wenn man dort branchenmäßig breit gestreut, innovativ und auf hohem Bildungsstand weitermacht.

Und hier alle Schülerfragen und Expertenantworten:
Generelle Statements der Experten zur Finanzkrise:
Andreas Theis: Wie kam es überhaupt zur weltweiten Finanzkrise? Durch eine laxe Kreditvergabe in den USA, eine leichte Rezession und daraus resultierend leicht gestiegene Zinsen. Es entwickelte sich ein Schneeballsystem. Die Kunden konnten ihre Kredite nicht mehr bezahlen, die Banken hatten die Kredite schon weiterverkauft - und so erreichte die Krise auch Europa und Deutschland, weil auch hierzulande Banken die Kredite angekauft und quasi als Wertpapiere an ihre Kunden weiterverkauft hatten. So kam es zu erheblichen Verlusten der Banken, es gab Wertkorrekturen, jetzt ist jeder betroffen, das war vor zwei Jahren eigentlich unvorstellbar.
Dirk Kleis: Bundesweit gesehen ist die Krise auch im Handwerk angekommen, vor allem bei Zulieferern für die Industrie, speziell der Exportwirtschaft. Die Bauwirtschaft hatte einen harten Winter, der gewerbliche Bau hat stark nachgelassen, gleiches gilt für den Wohnungsbau. Durch die Konjunkturpakete wurde der öffentliche Bau allerdings gestützt. In der KFZ-Wirtschaft wird die Krise durch die Abwrackprämie abgemildert, dies betrifft aber fast nur Kleinwagen. Durch die Abwrackprämie stehen künftig auch die vielen freien Werkstätten vor Problemen, weil 600.000 ältere Fahrzeuge jetzt nicht mehr repariert werden müssen, weil sie in der Presse landeten. Umsatzrückgänge gab es aber auch bei kleinen Metzgern oder Bäckern durch die Tendenz, alles beim Discounter einzukaufen. Insgesamt gab es im bundesdeutschen Handwerk durch die Krise bislang einen Umsatzrückgang von zwei Prozent. Die Region Eifel steht da aber deutlich besser da. Weiterhin gibt es rund 1000 Ausbildungsplätze in den Kreisen Bitburg-Prüm, Vulkaneifel und Bernkastel-Wittlich im Handwerk. Für den Eifelkreis Bitburg-Prüm zahlt sich besonders die Nachfrage aus Luxemburg sowie aus den Ballungszentren in Nordrhein-Westfalen aus. Während kleine Betriebe - die Vielzahl bei uns - krisensicher sind, haben größere schon einige Probleme.
Hans-Dieter Bell: In Irrel genießen wir natürlich den Vorteil der Nähe zu Luxemburg. Viele unserer Geschäfts-Kunden haben Aufträge aus Luxemburg, viele Privatkunden arbeiten jenseits der Grenze. Im "Ländchen" gab es bislang noch nicht den großen Einbruch, wenn es auch Rückgänge gab. Aber die Steinbrück-Äußerungen tragen natürlich nicht zur Besserung des Verhältnisses bei.

Schülerfragen:
Wo war die Bankenaufsicht BAFIN, als die Krise in Deutschland begann - und wo war die Politik?
Theis: Nicht nur Bankmanager haben die Krise verursacht, sondern auch Zentralbanken, Politiker, aber auch jeder Einzelne. Wer nur die billigsten Lebensmittel kauft, schadet den kleinen, regionalen, qualitätsorientierten Betrieben. Das betrifft dann auch Bäcker und Metzger - und bei Banken ist das ähnlich. Große Banken, die ihre Geschäfte mit großem Risiko betreiben, können höhere Zinsen geben als die Genossenschaftsbanken. Aber jetzt müssen die Großbanken wieder ein neues Risiko eingehen, um einen um ein Prozent höheren Zinssatz als wir anbieten zu können - und dies, obwohl sie unter dem Rettungsschirm stehen.
Bell: Das ist teilweise Wettbewerbsverzerrung für kleine Banken. Wir vergeben zum Beispiel keine Autokredite mehr, weil wir gegen die Autobanken nicht konkurrieren können. So gibt es eine indirekte Subvention der Autobranche durch Steuergelder, die den Autobanken zufließen.

Was halten Sie vom Rettungsschirm für die Banken?
Bell: Wir sind dafür, weil sonst die gesamte Branche vor dem Zusammenbruch stünde. Aber es darf eben keine Wettbewerbsverzerrung geben.
Theis: Ohne den Rettungsschirm hätten die Bankkunden Angst um ihr Erspartes gehabt und hätten - wie in England oder Luxemburg geschehen - ihr ganzes Geld von der Bank abgehoben. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, dass alle Einlagen sicher sind, war der Branche geholfen. Aber dieser Rettungsschirm muss zu Umstrukturierungen führen, siehe bei den Landesbanken, die Politik muss Weichen stellen.

Wie steht es denn mit der Eigenkapitalquote Ihrer Banken aus? Gehen die Genossenschaftsbanken kein Risiko ein?
Theis: Um die jährlich überprüfte Bankenzulassung zu bekommen, müssen wir natürlich eine gewisse Eigenkapitalquote vorweisen. Um Eigenkapital zu erzielen, muss man Gewinne machen. Denn machen wir mit Privat- oder Geschäftskrediten - und alle diese Kreditvergaben bergen natürlich ein gewisses Risiko. Aber man muss eben die Balance zwischen Gewinn und Risiko halten. Alle Banken müssen Risiken eingehen, auch jene, die Eigenkapital aus dem Rettungsschirm erhalten haben - aber es kommt auf die Mischung an..
Bell: Wir haben ein überschaubares Risiko, weil wir nur regional arbeiten und unser Gebiet kennen.

Wie sieht es - angesichts der Finanzkrise - künftig mit Ausbildungsplätzen in der Region aus?
Kleis: Das Handwerk bildet traditionell viel, teilweise sogar über Bedarf, aus. In der Region suchte man im Vorjahr händeringend nach Fachkräften, teilweise wegen deren Abwanderung nach Luxemburg. Wenn man sich nach einer guten Ausbildung dann durch Meisterschule oder Studium weiterbildet, muss man sich keine Gedanken um die Zukunft zu machen. Und man kann ordentlich verdienen.

Wie sieht die Zukunft der Banken aus?
Theis: Da müsste ich eine Glaskugel haben. Das Bruttosozialprodukt sinkt 2009 um sechs Prozent, es kann sein, dass es noch etwas länger dauert, bis die Zahl wieder nach oben geht. Entscheidend wird sein, wie die Werte in den Bilanzen der Banken wirklich aussehen. Es bleibt also spannend. Aber durch Russland oder asiatische Länder kann es zu einer erhöhten Nachfrage kommen. Ich denke, im zweiten Halbjahr wird es nach oben gehen.
Bell: Ich denke, die Talsohle ist noch nicht erreicht. Durch Bilanztricks wird noch einiges schön gerechnet. Ich habe die Befürchtung, dass wir noch nicht ganz unten angekommen sind.

Werden in der Region künftig Genossenschaftsbanken fusionieren?
Bell: Unser System ist deswegen krisensicher, weil es auf kleinteilige Banken angelegt ist. Fusionen sind dann gut, wenn sie nicht unter wirtschaftlichen Zwängen erfolgen. Fusionen aufgrund der Krise sind nicht geplant.
Theis: Genossenschaftsbanken helfen sich in Krisenzeiten immer gegenseitig, das ist der Grundgedanke von Raiffeisen. Dessen Idee war nie eine große Bank für Deutschland, sondern viele kleine regionale Institute. Eine kleine Bank kann viel individueller auf Kunden eingehen, und die Bilanzsumme ist nicht alles.
Kleis: Gerade die kleinen und mittelständischen Betriebe brauchen regionale Banken. Je größer die Banken, desto größer die Distanz.

Wie stark ist die Eifel von der Globalisierung betroffen?
Theis: Alles hängt zusammen. Wenn ein Bitburger Maschinenbauer Teile für die Autoindustrie liefert, hängt er möglicherweise mitten drin in der weltweiten Krise. Aber in der Eifel gibt es zum Glück keine Monostruktur, was die Branchen betrifft. Wir haben viel Landwirtschaft, viel Handwerk, viel Dienstleistungen. Was unsere Bank betrifft, darf man sich natürlich nicht nur in einer Branche involvieren, das könnte riskant werden. In der Eifel sind aufgrund dieser Struktur die Wellenbewegungen nicht so extrem. Es gibt in guten Zeiten keinen großen Ausschlag nach oben und in Krisen keinen großen Ausschlag nach unten.

Wie stark ist Bitburg als Autostadt von der Absatzkrise der Autoindustrie betroffen?
Theis: Die Händler haben Absatzprobleme und bauen teilweise Personal ab. Die meisten werden es aber schaffen, die Krise zu meistern. Was nach der Abwrackprämie passiert, wissen wir aber nicht.

Macht die Abwrackprämie Sinn?
Kleis: Die Autowirtschaft ist eine Schlüsselwirtschaft für Deutschland. Daher sah der Staat den Bedarf, den Absatz anzukurbeln. Aber vielleicht werden Kaufentscheidungen jetzt nur vorgezogen, sicherlich werden die freien Werkstätten Probleme bekommen, weil 600.000 potenzielle Kunden wegfallen. Aber diese künstliche Absatzsteigerung sorgt natürlich in anderen Branchen für Begehrlichkeiten. Warum gibt es zum Beispiel keine Abwrackprämie für Heizkessel oder Küchen?

Hat die deutsche Autoindustrie überhaupt von der Abwrackprämie profitiert?
Kleis: Es wurden vorrangig andere Marken gekauft, aber bei der globalisierten Welt ist eine gezielte Förderung von deutschen Firmen auch fast unmöglich. Aber in vielen Citroen oder Hyundai steckt deutsche Technik, also haben zumindest die Zulieferer etwas davon.

Was machen regionale Genossenschaftsbanken, um die Wirtschaft anzukurbeln?
Bell: Wir haben eine enge und lange Beziehung zu unseren Geschäftskunden und stehen auch in schlechten Zeiten zu ihnen, wenn eine Perspektive vorhanden ist.
Theis: Ehrlichkeit ist auch das Wichtigste im Privatkundengeschäft. Aber die Verbraucher müssen auch sinnvolle Kredite aufnehmen, nicht für den x-ten Urlaub oder ähnliche Dinge. Und da beraten wir gerne.

Was können wir als Schüler, aber auch unsere Eltern tun, um aus der Krise zu kommen?
Bell: In der Region bleiben, hier arbeiten, hier konsumieren.
Theis: Man muss Schülern erst einmal den Kreislauf des Geldes erläutern, damit sie sehen, wie Eltern ihr Geld verdienen. Dafür sind Bildung und Ausbildung nötig. Zudem sollten wir alle kein Extremverhalten an den Tag legen, denn ganz auf Konsum zu verzichten, hilft derzeit auch nicht.
Kleis: Weiter konsumieren, nicht nur sparen. Beim Kauf auf Regionalität und Qualität wert legen.

Gibt es Grenzen des wirtschaftlichen Aufschwungs?
Theis: Es gibt immer wieder Neuerungen, die für Fortschritt und Aufschwung sorgen, wie seinerzeit die Eisenbahn, das Auto, der Computer und heute das Internet. Neue Produkte sorgen für neue Einkommen und neuen Bedarf. Man weiß nicht, was es in 20 Jahren geben wird.

Gibt es wegen der Krise eigentlich noch Praktikumsplätze oder Ferienjobs?
Kleis: Niemand sollte eine Ausbildung ohne ein Praktikum beginnen. Durch Ferienjobs und Praktika lernt man den Beruf aber auch den Betrieb kennen. Wenn alle es so machen würden, wäre die Abbrecherquote bei Ausbildungen geringer. Nehmt die Berufswahl nicht auf die leichte Schulter!

Gibt es denn auch eine Ausbildung ohne Abitur?
Kleis: Das Handwerk sucht immer Hauptschüler und Realschüler.

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