Lernen im Versteck

WALDRACH. Im Rahmen unseres Projektunterrichts "Stolpersteine in Waldrach" behandelten wir das Thema "Der Völkermord an den Juden durch die Nationalsozialisten".

Die Stolpersteine wurden am 23. Februar in Trier durch den Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt. Auch hier in Waldrach wurden solche zum Gedenken an die jüdischen Vorfahren von Joop Levy in der Ruwergasse gesetzt, der zu diesem Anlass extra aus Amsterdam angereist kam. Da der 71-jährige die Schrecken des Nationalsozialismus' in seiner Kindheit miterleben musste, freuten wir uns sehr über sein Angebot, von seinem Leben als Jude und seinen Verstecken zu erzählen. Herr Levy wollte vor allem berichten, wie es ist, als kleiner Junge untertauchen zu müssen. Zum Einstieg verdeutlichte er uns seine Position als Jude mit einer Geschichte: Als er mit sieben Jahren in ein Schwimmbad ging, stand dort ein Schild mit der Aufschrift: "Juden nicht erlaubt!" Dies wunderte ihn sehr, da er es gewohnt war, sich frei in Holland bewegen zu können. Diese Umstellung wurde gerade im Alltag deutlich, denn jeder Jude bekam einen Judenstern, den er an der Jacke tragen musste, außerdem wurde ein großes J für Jude in den Pass gedruckt. Zur Veranschaulichung zeigte Herr Levy uns seinen Judenstern und den Pass seines Vaters, was für uns Geschichte regelrecht greifbar machte. Joop Levy erzählte uns anschließend, dass Familien gezwungen wurden unterzutauchen, wenn sie nicht deportiert werden wollten. Ein gutes Versteck boten abgelegene Bauernhöfe. Die Familie Levy versteckte sich auf einem nahe gelegenen Hof. Jedoch musste der Vater vorerst auf einem anderen als seine Frau und sein Sohn Joop untertauchen, weshalb die Familie sich trennen musste. Doch irgendwann konnte der Bauer den Vater nicht mehr verstecken, da er Angst hatte, entdeckt und so auch verhaftet zu werden. Dies war Anlass für den Vater, zu seiner Familie zu gehen. Er hatte das Glück, dass der dortige Bauer ihn auch noch aufnahm. Viele Bauern hätten so nicht gehandelt, denn sie hatten große Angst vor den holländischen SS-Soldaten, denn diese kannten die besten Verstecke vor Ort. Deshalb durften Joop Levy und seine Familie das Haus nicht verlassen. Als 1944 elektrisches Licht installiert wurde, musste sich die jüdische Familie für circa vier Wochen im Hühnerstall verstecken. Als sie einen Hinweis bekamen, dass die Nationalsozialisten die Verstecke durchsuchen, blieb nur noch der Dachboden über dem Stall als Ausweg. Dort waren sie auch der gefährlichsten Situation während ihres Untertauchens ausgesetzt, denn eine deutsche Wehrmachtseinheit quartierte sich für 14 Tage auf dem Bauernhof ein. Bewegende Geschichte

Ein Teil von ihnen schlief sogar über dem Versteck von Familie Levy, die sich unter dem Heu in einem Verschlag verstecken musste. In dieser heiklen Situation war vor allem leise sein angesagt, denn das kleinste Geräusch hätte sie verraten können. Gerade diese Information war für uns kaum nachvollziehbar, da wir uns als Jugendliche nur schwer vorstellen können, für einen so langen Zeitraum still zu halten. Als Schüler fragten wir uns, welchen Bezug Joop Levy zu seiner Schule hatte, und ob er überhaupt eine während der nationalsozialistischen Besatzungszeit besuchen konnte. Er sagte, dass er ja eigentlich wie jeder andere in seinem Alter zur Schule musste, aber wegen seiner Religion diese nicht besuchen konnte. Jedoch ergab ein Zufall, dass die alte Wohnung von Familie Levy an eine Lehrerin vermietet wurde. Diese schrieb in ein Heft Aufgaben, die sie einem Nachbarn gab, der wiederum gab die Aufgaben an Joop weiter. Die Lehrerin durfte natürlich nicht erfahren, an wen diese gingen, doch sie dachte sich, dass sie die Aufgaben einem jüdische Kind stellte. Am Ende dieses sehr informativen und bewegenden Vortrages forderte Levy uns auf, Fragen zu stellen. Die Frage, die uns sehr interessierte, war, wie alt er zum Zeitpunkt des Holocausts war. Er sagte, dass sie am 27. September 1942 untertauchen mussten. Damals war er 7 Jahre alt. Zweieinhalb Jahre später kehrte er an seinen Geburtsort zurück. In dieser kurzen Zeit hatte er bereits mehr erlebt als wir alle zusammen. Joop Levy engagiert sich auch heute noch für das Schicksal deportierter Juden, denn er ist Präsident der holländischen Organisation "Freunde von Yad Vashem". Yad Vashem ist ein Dokumentationszentrum über den Holocaust in Jerusalem. Dort sind mehr als 4 Millionen Namen von ermordeten Juden registriert. Wir werden Joop Levy und seine bewegende Geschichte sicherlich nicht so schnell vergessen und danken ihm für eine Stunde greifbare echte Geschichte, die zum Nachdenken anregte. Simone Bales und Nina Ostermann, Schülerzeitung Punkt, Regionale Schule Waldrach

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort