Zusammen am Tisch

Serbische Zwangsarbeiter kamen während des Zweiten Weltkriegs nach Winterscheid. Da die Jungen der Familie - Josef Winkelmanns Brüder - im Krieg waren und nur noch Mädchen im Haushalt und in der Landwirtschaft helfen konnten, wurde einer Familie jeweils ein Zwangsarbeiter zugeteilt.

Die Zwangsarbeiter halfen in der Landwirtschaft, beim Mähen und im Stall, aber auch bei der Waldarbeit. Mit Begeisterung spricht Josef Winkelmann über das Engagement des Zwangsarbeiters, der seiner Familie zugeteilt war: "Er erledigte seine Arbeit sehr gewissenhaft. Er hat sich immer nützlich gemacht." Ein Zwangsarbeiter lief eines Tages sogar zu Josef Winkelmann, um ihm mitzuteilen, dass im fünf Kilometer entfernten Dorf ein Verwandter verstorben sei. Auch arbeiteten sie oft zusammen mit den Frauen, wenn der Hausherr nicht anwesend war. Der Arbeiter lebte bei der Familie. Ob er im Haus lebte oder in einem Stall neben dem Haus, wusste Josef Winkelmann nicht mehr genau. Der Arbeiter habe wohl auf einer weichen Unterlage auf dem Dachboden geschlafen. Mit der Familie auf einer Etage zu schlafen, war völlig ausgeschlossen, "denn dafür war das Vertrauen nicht groß genug, obwohl man mit dem Zwangsarbeiter sehr zufrieden war". Der Zwangsarbeiter aß mit der ganzen Familie Winkelmann an einem Tisch zusammen. In anderen Häusern war das nicht immer so, da es eigentlich verboten war, die Zwangsarbeiter mit am Tisch essen zu lassen. Dann mussten die Arbeiter entweder ganz alleine in der Küche oder draußen beziehungsweise im Stall essen. Bei der Familie Winkelmann hatte der Arbeiter auch eine kurze Mittagspause, was eigentlich nicht üblich war. Die Begeisterung, mit der Josef Winkelmann berichtet, lässt erkennen, dass der Kontakt zwischen dem Zwangsarbeiter und dem Hausherrn sehr gut war. Auch die Familie selber war sehr zufrieden mit ihm, da er "alle Arbeiten ordentlich erledigte, wovon man im Nachbardorf nur träumen konnte!" "Ich habe mir keine Sorgen um meine Familie gemacht, wenn ich mal aus dem Haus war, da ich wusste, einen begabten und kinderfreundlichen Arbeiter im Haus zu haben, der auf meine Familie aufpasst. Zudem war ich einige Tage schlecht dran, als es hieß: In drei Tagen wird der Zwangsarbeiter wieder abgeholt. Ihm können wir sehr dankbar sein und hätten ihn gerne wiedergesehen." Auf die Frage, wem ein Zwangsarbeiter zugeteilt wurde, sagte mir Josef Winkelmann, das seien Familien gewesen, in denen in der Mehrzahl nur Frauen lebten und die restlichen Jungen in den Krieg berufen worden waren und "Haus und Hof verlassen mussten". Ein Kommandant brachte dann, auf Wunsch der Familie, einen Zwangsarbeiter zu ihnen und holte ihn nach einem Jahr wieder ab. Ein Jahr dauerte also ein Einsatz, der Familie Winkelmann aber sehr geholfen hat, denn ohne diesen Zwangsarbeiter wäre der landwirtschaftliche Betrieb wohl nicht weiter zu führen gewesen, denn Winkelmanns Mutter und die Geschwister kümmerten sich meist um die Kinder und hatten daher kaum Zeit für die Arbeit im bäuerlichen Betrieb. Johann Winkelmann (80) von der Heltenbacher Mühle in Winterscheid ist heute Rentner und war früher Müller. Das Gespräch führte Michaela Winkelmann, Klasse 10a, Regino-Gymnasium Prüm.

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