"Ich rede viel darüber, wenn ich traurig bin"

Trier · Als die elfte Kerze auf Lea Sophies Geburtstagetorte brannte, war ihre Mutter tot. Sie ist an Krebs gestorben. Die Psychologinnen der Trierer Beratungsstelle Papillon haben das Mädchen während der Krankheitsphase unterstützt und helfen ihm auf vielfältige Weise, das Unbegreifliche zu begreifen.

 Lea hat ein Plakat erstellt, auf dem sie ihre Erfahrungen und Gefühle beschreibt.

Lea hat ein Plakat erstellt, auf dem sie ihre Erfahrungen und Gefühle beschreibt.

Foto: Katja Bernady

Trier. Lea Sophie liebt ihre drei Monchichis, die niedlichen Plüsch äffchen. "Ich habe ein Mama-Monchichi, ein Papa-Monchichi und ein Baby-Monchichi", erzählt die Zwölfjährige. Zu dritt, das war ihre Familie auch, bis zum Frühling 2014. Ein Jahr zuvor hatte die Diagnose Krebs das Leben der Familie durcheinandergewirbelt.

"Warum machen alle so ein Drama darum? Das ist doch eine Krankheit wie jede andere, habe ich mir damals gedacht", erinnert sich das Mädchen, blond, aufgeweckt, Zahnspange. Doch es war keine Krankheit wie jede andere. Die Mutter veränderte sich. "Die Haare sind ausgefallen, und ihr war oft übel", sagt die Sechstklässlerin. Die Haare der Mama mochte Lea Sophie sehr. Sie seien lang und dunkel gewesen, wie die von Schneewittchen. Lea Sophie hat mit ihrer Mutter gekocht, gebacken, gespielt, und sie waren oft im Schwimmbad.

Sie schwärmt von ihrem lieben, netten Charakter, ihren Hortensien und Rosen im Garten, und sie erzählt, dass sie sich um Frühchen in einem Krankenhaus gekümmert hat.

2014 musste die damals Zehnjährige sich von ihrer Mama verabschieden. Die Mutter starb zu Hause umgeben von ihrer Familie. In der Beratungsstelle Papillon ist Lea Sophie auf Psychologinnen getroffen, die ihr erklärt haben, warum ihrer Mutter die Haare ausgefallen sind, sie haben sie später getröstet und ihr geholfen, die Trauer auszudrücken und für ein paar Stunden einfach wieder nur Kind zu sein.

Lea Sophies Mutter hatte ein halbes Jahr nach der Diagnose Krebs einen ersten Termin für ihre Tochter bei Papillon vereinbart. Seitdem geht das Mädchen regelmäßig in das kleine, schnuckelige Haus in der Krahnenstraße in Trier, in dem Großes passiert. Kinder von an Krebs erkrankten Eltern erhalten dort Hilfe. "Die Gespräche sind sehr wichtig für Lea Sophie", sagt ihr Vater.

Doch das Angebot der Beratungsstelle geht übers Sich-alles-von-der-Seele-reden hinaus. Kürzlich hat die Schülerin an dem zweitägigen Musikworkshop "Mein Beat - mein Leben" mit dem Profimusiker Philipp Godart teilgenommen (der TV berichtete). Sie hat eine Strophe getextet, Klarinette gespielt und mit anderen Kindern ein Video aufgenommen.

"Uns wurde viel Freiraum gelassen, wir konnten unseren Gefühlen freien Lauf lassen und unsere Gedanken aufschreiben", sagt Lea Sophie. Dinge aufzuschreiben sei ihr sehr wichtig. "Und ich rede viel darüber, wenn ich traurig bin", sagt sie. Lea Sophie schreibt auch Gedichte. Ihre Hobbys und der Regenbogen hätten seit dem Tod ihrer Mama eine neue Bedeutung für sie, sagt sie. Während des Karatetrainings spüre sie, was in ihr stecke. Und wenn sie gegen einen Boxsack haue, könne sie sich mal so richtig gehen lassen.

Welche Bedeutung hat der Regenbogen heute für sie? "Er ist ein Zeichen, das die Mama schickt", glaubt sie. Und er führe zum Himmel, wo ihre Mutter sei. Manchmal findet sie es furchtbar ungerecht, dass sich nur noch ein Elternteil um sie kümmern kann. Auch darüber kann sie mit den Psychologinnen von Papillon reden. Und mit ihrem Papa. Lea Sophie hat Wege und Hilfe gefunden, um mit dem Tod ihrer Mutter umzugehen. Und jeden Abend kuschelt sie sich an ihr Mama-Monchichi. Es liegt immer in ihrem Bett.

Der Verein "Von Betroffenen für Betroffene" ( www.annas-verein.de ) hat die Beratungsstelle "Papillon" im Jahr 2007 ins Leben gerufen und finanziert sie seitdem aus Spenden. Der Verein war im Jahr 2000 von der an Krebs erkrankten Anna Becker aus Burgen (Kreis Bernkastel-Wittlich) gegründet worden.

Ihre Eltern und weitere Vorstandsmitglieder haben es sich nach dem Tod des damals 17-jährigen Teenagers im Jahr 2003 zur Aufgabe gemacht, Einrichtungen zu unterstützen, die von Krankheit betroffene Familien begleiten. Papillon bietet Familien aus der Region Trier kostenlose Beratung an.

Über das Spendenportal "Meine Hilfe zählt" sammelt der Verein aktuell Geld für das Projekt "Papillon Winteraktionen - für Kinder krebskranker Eltern". TV-Leserinnen und -Leser können unter der Nummer 49262 dazu beitragen, dass betroffene Kinder Eislaufen, Handball schauen oder gemeinsam basteln können.

Extra: Diese Strophe hat Lea Sophie während des Musikworkshops getextet:

"Wir waren okay und dachten nicht so viel über das Leben nach. Doch jetzt wissen wir, was passieren kann und nutzen jeden Tag!
Wir haben nicht damit gerechnet, doch es ist geschehen. Wir konnten der Krankheit nicht mehr aus dem Wege gehen! Die Zeit flog an uns vorbei und wir nahmen sie nicht wahr. Der Ernst unserer misslichen Lage war uns nicht klar!
Doch es ist unsere Vergangenheit, wir haben sie überwunden, jetzt beginnt eine neue Zeit, wir haben einen besseren Weg gefunden.
Wir haben Angst und wissen nicht, wie es weitergeht, doch ist es unser Schicksal?
Doch ist es unser Schicksal? Warum wir?"

Hier geht es zum Musik-Video: https://vimeo.com/190111385Extra

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