Was Weihnachten uns übers Helfen lehrt

Trier · Heiligabend. Endlich. Nach der hektischen Geschenke-Jagd in überfüllten Einkaufszonen, nach der Schneechaos-Panik, nach dem politischen Hickhack um eine winzige Erhöhung der Hartz-IV-Sätze bis zur letzten Minute: Höchste Zeit für eine kleine Auszeit.

 Die Geburt Jesu: Wandrelief in der Marienkapelle des Trierer Doms. Die Kapelle ist 1725 erbaut worden.

Die Geburt Jesu: Wandrelief in der Marienkapelle des Trierer Doms. Die Kapelle ist 1725 erbaut worden.

Foto: Friedemann Vetter

Drei Tage lang keine Vorwahlkampf-Schlammschlachten aus Mainz, keine Truppen-Besuchsshows in Afghanistan, kein geschwätziger Jahresrückblick-Wettbewerb auf allen Fernsehsendern. Da bleibt vielleicht Zeit, um über ein paar Dinge nachzudenken.

Über die Verfallszeit mancher Themen zum Beispiel, die erst mit der Wucht einer Granate in die öffentliche Debatte einschlagen und dann über Nacht wieder verschwinden. Der Unfall bei „Wetten, dass“ zum Beispiel. Gottschalk moderiert wieder, die nächste Sendung kommt bestimmt, die Karawane zieht weiter. Erinnert sich noch jemand an Duisburg? Die Toten bei der Love Parade? Nichts ist geklärt, niemand verantwortlich. Irgendwann, in zwei, drei Jahren, wird es einen Prozess geben mit allerlei Getöse. Und die Schweinegrippe? Grassiert gerade wieder, interessiert aber keinen. Impfstoff für 240 Millionen Euro in den Gully – egal, es rast eh schon die nächste Sau durchs Dorf. Bankenkrise? Schutzschirm? Euro-Ruin? Ach was. Jetzt jubilieren Experten über rosige Wachstumserwartungen.

Wir haben uns alle miteinander daran gewöhnt, öffentliche Vorgänge nach dem Ereignis- und dem Unterhaltungswert zu behandeln. Interessant ist, wenn die Regierenden sich gegenseitig als Sauhaufen und Gurkentruppe beschimpfen, weniger interessant ist, welche Politik sie machen. Das Geschäft der Inszenierung gewinnt immer mehr an Gewicht, das politische Handwerk spielt zunehmend eine Nebenrolle.

Der verunsicherte Bürger reagiert zwiespältig. Einerseits verteidigt er jeden Besitzstand und erwartet, dass die öffentliche Hand ihm alle Probleme vom Leib hält. Andererseits fordert er einen sparsamen Staat, der ihm weniger Steuern und Abgaben abverlangt. Er will billig fliegen und die Bahn möglichst wenig subventionieren, aber Sicherheit, Komfort und Takt müssen stimmen. Wirtschaft und Industrie sollen wachsen, aber unangenehme Begleiterscheinungen wie Lärm und Schmutz dulden viele Menschen nicht in ihrer Nähe.

Doch sie zeigen, und das macht gerade um die Weihnachtszeit Mut, auch ein anderes Gesicht. Wo ihnen der Sinn einleuchtet, wo die Identifikation stimmt, da engagieren sich Bürger mehr als je zuvor. 23 Millionen Deutsche setzen sich unentgeltlich für andere ein, kümmern sich um soziale Projekte, machen Jugend- und Vereinsarbeit. Sie rufen nicht nach dem Staat, sie unternehmen etwas. Dazu passt, dass in Krisenzeiten die Spendenbereitschaft der Menschen ungebrochen ist. Während Unternehmen sich mit sozialem Engagement schwerer tun, helfen Privatpersonen auch dann, wenn ihre Finanzlage weniger rosig ist.

Man muss kein Pessimist sein, um zu prognostizieren, dass dem freiwilligen Engagement und der Spendenbereitschaft künftig noch mehr Bedeutung zukommt als bisher. Angesichts leerer öffentlicher Kassen werden sich viele wichtige Dinge nur noch ermöglichen lassen, wenn sich die Bürger ihrer annehmen.

Das geht nicht ohne eine Weiterentwicklung der Ehrenamts-Kultur. Mag sein, dass man vor 50 Jahren mit Appellen an die Opferbereitschaft Menschen motivieren konnte. Heute geht es darum, deutlich zu machen, dass Engagement mit Freude, Spaß und Erfolgserlebnissen einhergeht. Und dass Mitgefühl für andere auch das eigene Leben bereichert. Wie übrigens derzeit – neben vielen anderen wichtigen Initiativen – auch die TV-Benefizaktion „Meine Hilfe zählt“ zeigt.

Das Stichwort Hilfe bringt uns zum Heiligabend zurück. Vom römischen Staat und den Stützen seiner Gesellschaft hatten Josef, Maria und Jesus wenig zu erwarten. Hätten nicht ein paar engagierte Menschen einem heimatlosen, armen, fremden jungen Paar vor 2000 Jahren in Bethlehem geholfen, würden wir heute an Weihnachten nicht das Fest feiern, das wir feiern.

Der Volksfreund wünscht all seinen Lesern und Kunden ein frohes Fest.

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