Nicht auf nüchternen Magen

Wird eine Rede gehalten, ist der Anlass meist ein besonderer. Also keine Hochzeit ohne Rede. Dabei gilt in jedem Fall: „Es muss mit dem Organisator der Hochzeit abgesprochen werden, wann die Rede gehalten wird und wie lange sie dauert“, sagt die Stilberaterin Elisabeth Bonneau aus Freiburg. Es könne zum Beispiel nicht angehen, dass der Redner genau dann loslegt, wenn die Kellner das Essen bringen wollen.

Das heißt aber nicht, dass erst geredet und dann gegessen wird. Gäste mit knurrendem Magen sind keine guten Zuhörer. „Es ist deshalb besser, wenn sie zumindest schon die Vorspeise zu sich genommen haben“, erklärt Frank Rosenbauer, professioneller Redenschreiber aus Kirchen (Rheinland-Pfalz). Die zwischen den Gängen zur Verfügung stehende Zeit ist jedoch begrenzt. Deshalb und um die zum Feiern gekommenen Gäste nicht zu langweilen, sollte die Rede kurz gefasst werden. Fünf bis zehn Minuten setzt Rosenbauer an. Konservativ betrachtet ist der Rede des Brautvaters die längste Zeit einzuräumen. Er redet traditionellerweise auch zuerst, denn früher war es in der Regel auch der Brautvater, der die Hochzeitsfeier bezahlt hat. Da die Brautleute die Kosten fürs Feiern heute oft selbst übernehmen, kann aber auch Bräutigam oder Braut zuerst sprechen. „Und statt des Brautvaters kann doch auch die Mutter der Braut sprechen, wenn ihr Mann nicht möchte“, meint die Stilberaterin Inge Wolff aus Bielefeld. Sie würde allerdings in jedem Fall einem anwesenden Geistlichen das erste Wort überlassen.

Eine gute Hochzeitsrede zeichnet sich durch Emotionalität aus: Der Vater der Braut erinnert sich zum Beispiel an ein Erlebnis aus ihrer Kindheit. „Dabei sollte er eine bestimmte Tugend herausstellen“, sagt Rosenbauer. Auf keinen Fall darf die Rede aber zu einer Art Biografie werden. Stattdessen greift sich der Redner besser ein oder zwei Ereignisse heraus, mit denen er seine Botschaft übermitteln kann. Wenn der Zeitpunkt für die Rede gekommen ist, geht es auf Hochzeiten oft schon lebhaft zu: Kann der Redner sich nicht durch die Kraft seiner Stimme die nötige Ruhe im Saal verschaffen, hilft es, mit dem Löffel gegen ein Glas zu schlagen. Das sollte der Redner laut Inge Wolff jedoch keineswegs selbst tun. „Das wirkt dann so, als wolle er sich in den Vordergrund drängen.“ Unerlässlich sei es außerdem, dass sich der Vortragende hinstellt. Die Rede sollte langsam vorgetragen werden. Das verbessert die Verständlichkeit.

Um das Publikum zu fesseln, rät Frank Rosenbauer zur Visualisierung: Erzählt der Brautvater etwa von einem Erlebnis mit seiner damals dreijährigen Tochter, könnte er ein großes Foto von ihr aus Kindertagen hochhalten. Gut wäre auch ein altes Kuscheltier, meint Rosenbauer. „Nehmen Sie irgendetwas in die Hand – das gibt einen Rieseneffekt.“ Um einen Hänger während der Rede zu vermeiden, sollte das Manuskript zur Hochzeitsfeier mitgebracht werden. Generell gilt aber: Es ist besser, sich zwei- oder dreimal zu versprechen, als die ganze Zeit aufs Blatt zu starren.

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