Interview Tobias Hans „Alle sollten mal verbal abrüsten und sich zurücknehmen“

Berlin · Der saarländische CDU-Ministerpräsident warnt im Streit mit der CSU vor nationalen Alleingängen – und betont Merkels Richtlinienkompetenz.

 Saar-Ministerpräsident Tobias Hans plädiert im Asylstreit für eine europäische Lösung.

Saar-Ministerpräsident Tobias Hans plädiert im Asylstreit für eine europäische Lösung.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Da das Saarland gleich zwei Staatsgrenzen hat, ist Ministerpräsident Tobias Hans von der Debatte um Grenzkontrollen besonders betroffen. Der CDU-Politiker, der am Montag an den Vorstandsberatungen in Berlin teilnahm, spricht im Interview über den ungelösten Konflikt mit der Schwesterpartei CSU.

Kennen Sie den vollständigen „Masterplan Migration“?

HANS Angela Merkel hatte in der CDU-Präsidiumssitzung das Papier vor sich, als sie daraus vortrug. Selbst habe ich den Plan wie alle anderen noch nicht bekommen.

Sie alle diskutieren über etwas, das weder die Vorstände, noch die Abgeordneten, noch der Koalitionspartner oder der Bundesrat kennen?

HANS Ein mündlich vorgetragener Masterplan kann keine Beschlussgrundlage sein, ganz klar. Auf die warten wir alle. Ich fühle mich nicht im Stande, dazu in Gänze zu sagen, ob er gut oder schlecht ist. Das sehen meine Parteifreunde in der Bundestagsfraktion und im Parteivorstand genauso.

Wie fände man es im Saarland, wenn dort wieder Grenzkontrollen stattfinden würden?

HANS Wir im Saarland können wohl mit am besten beurteilen, wie groß der Vorteil der europäischen Freizügigkeit ist. Deswegen müssen wir alles daran setzen, diese Freizügigkeit zu erhalten und vor allem, mit unseren Nachbarländern ein gutes Miteinander zu haben. Das aber steht auf dem Spiel, wenn wir vorschnell und einseitig andere vor vollendete Tatsachen stellen.

Sie unterstützen also dezidiert Angela Merkels Versuch, mit Österreich oder Italien Vereinbarungen zu finden?

HANS Ja. Frankreich und Italien haben bewiesen, dass solche Vereinbarungen funktionieren. Deswegen sollten wir Angela Merkel die dafür notwendige Zeit geben. Das ändert aber nichts an dem Tatbestand, dass wir ein Problem an unseren Grenzen haben, nämlich dass Menschen einzureisen versuchen, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bereits ein abgeschlossenes und abgelehntes Asylverfahren hinter sich haben. Das ist illegale Migration, die wir nicht tolerieren dürfen. Das gilt auch für Menschen, deren Verfahren woanders bereits begonnen hat. Dieses Problem müssen wir lösen. Aber miteinander, nicht gegeneinander.

Aber auch dann müsste das Grenzregime verschärft werden, auch im Saarland.

HANS Schon jetzt finden Grenzkontrollen statt, aber eher im weiteren Grenzraum und anlassbezogen. Und selbst bei verschärften Kontrollen werden die Schlagbäume nicht wieder heruntergehen, und der normale Pendlerverkehr wird nicht beeinträchtigt.

Hat Angela Merkel das Recht, Horst Seehofer zu entlassen, wenn er nach dem 1. Juli gegen ihren Willen die Zurückweisungen anordnet?

HANS Das Ziel ist es, zu verhindern, dass es zu Alleingängen kommt. Ich würde mir wünschen, dass der Bundesinnenminister die Bundeskanzlerin dabei unterstützt, Lösungen mit den Nachbarstaaten zu finden. Auch er könnte dazu Gespräche führen. Es reicht nicht, sich zurückzulehnen und nur abzuwarten.

Wie würden Sie agieren, wenn Ihr eigener Innenminister so vorginge wie Seehofer?

HANS Die Kanzlerin hat die Richtlinienkompetenz. Sie wird jetzt mit unseren europäischen Partnern verhandeln. Nach dem 1. Juli muss man in diesem Lichte auswerten, wie weit man gekommen ist. Die Parteispitzen von CDU und CSU müssen sich dazu sicher auch noch einmal treffen. Vorher kann überhaupt keine Entscheidung getroffen werden.

Man hat den Eindruck, dass der Schwanz mit dem Hund wackelt, die CSU mit der CDU. Ist die Fraktionsgemeinschaft noch richtig?

HANS Sie ist der einzige Weg, mit dem wir erfolgreich sein können. Wir sind sowieso durch das schlechte Wahlergebnis geschwächt und können uns ein Zerwürfnis als Union nicht leisten. Deswegen sind alle Beteiligten jetzt gut beraten, verbal abzurüsten, sich auch persönlich etwas zurückzunehmen und die Interessen des Landes wieder nach vorne zu stellen.

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