Als der Berg brannte

Eine Katastrophe, die Geschichte schrieb, erlebten die Bürger der Stadt Prüm heute vor 55 Jahren. Am 15. Juli 1949 explodierte das französische Munitionslager auf dem Kalvarienberg. Für viele Prümer Bürger ist die Explosion des Sprengstofflagers auf dem Kalvarienberg noch präsent.

PRÜM. Auch Wilma Mayer, die damals zwölf Jahre alt war, erinnert sich: „Wir Kinder spielten an diesem heißen Tag an der Prüm, und hatten uns am späten Nachmittag über die Rauchwolken am Kalvarienberg gewundert. Kurz darauf kam mein Vater aufgeregt zu uns, um uns abzuholen. Er brachte uns in den ehemaligen Luftschutzkeller im Josephshaus, wo sich viele Nachbarn, aber auch andere Bürger aus der Stadt eingefunden hatten. Zwischen den Erwachsenen hindurch konnte ich das Geschehen verfolgen: Nach einer Zeit stieg plötzlich eine grün-orangefarbene Stichflamme aus dem Berg empor, kurz darauf hob sich die Kuppe, um dann in sich zusammenzufallen. Jetzt verfinsterte sich der Himmel und eine riesige Staubwolke bewegte sich auf uns zu. Durch die Explosionswelle wurde ich zu Boden geschleudert.“

Das Bild nach der Explosion von mehr als 500 Tonnen Sprengstoff zeigte Verwüstung und Zerstörung. Annähernd 250 000 Kubikmeter Schutt hatten sich über eine Fläche von 96 Hektar gelegt. Noch im Umkreis von zwei Kilometern wurden Bruchstücke gefunden. Sogar in Gerolstein ging Staub nieder.

Im Ort war besonders der obere Stadtteil mit Kreuzerweg und Hillstraße, vor allem aber Tiergarten-, Kalvarienberg- und Langemarckstraße, sowie Achterweg und Umweg betroffen. Dort wurden 76 Häuser, darunter das Krankenhaus und das Postgebäude, völlig zerstört. Mehr als 100 Gebäude zeigten zum Teil schwere Beschädigungen. Schon seit Kriegsende war die Wohnungssituation in Prüm schwierig. Die Wohnungen waren oft mit zwei oder drei Familien belegt. Durch die Katastrophe, bei der von den 2700 Einwohnern 965 Menschen obdachlos wurden, verschärfte sich die Situation dramatisch. Neben den vielen Obdachlosen und mehr als 150 Verletzten hatte die Explosion aber auch elf Menschen das Leben gekostet. Franz Berenyi und Max Riedel hatten sich als Wachhabende beim Sprengstofflager bis zum Schluss um die Evakuierung der Bevölkerung bemüht. Ebenso der Gendarmerieobermeister von Prüm, Max Theodor Oberg, der als letzter seine Dienststelle verlassen hatte und nur noch tot aus seinem zu Blechfetzen demolierten Dienstwagen geborgen werden konnte. Auch Kurt Knierim, Zollsekretär in Prüm, musste seine Hilfsbereitschaft mit dem Leben bezahlen. Weitere Opfer waren der Kinobesitzer Hans Poppa und die beiden Rentnerinnen Maria Schmitz und Katharina Zimmer. Der Studienassessor Gerhard Seifert und Johann Enders aus Niedermehlen konnten sich ebenfalls nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Dabei hatte die Bevölkerung immer mit gemischten Gefühlen auf die Lastwagen mit der roten Gefahrenflagge geschaut, die seit Anfang 1949 Sprengstoff in den Stollen des Kalvarienbergs brachten. Von dort aus wurde die Sprengung der Bunker des Westwalls durch französische Stellen mit Munition versorgt und auch am Tage des Unglücks war noch Sprengstoff ausgegeben worden.

Gegen 18.45 Uhr erreichte Kreisgendarmeriechef Meyer dann die Meldung, dass Rauchwolken aus dem Bunker am Kalvarienberg emporsteigen. Er fuhr sofort in Begleitung des Gendarmerieobermeisters Oberg zu dem Sprengstofflager, und wenig später trafen dort auch Landrat Rüdel und der Kreisdelegierte Biagini ein. Alle waren sich in Anbetracht der Größe des Brandes, der mittlerweile den Stollen erfasst hatte, einig, dass eine sofortige Räumung der Stadt anzuordnen sei. Gegen 19 Uhr hatten die Glocken der evangelischen Kirche den Feueralarm gegeben und die unerschrockenen Wehrleute wollten den Kampf gegen das Feuer aufnehmen, obwohl es ihnen an Sauerstoffgeräten fehlte. Gegen 20.25 Uhr setzte die Explosion ein. Ein riesiger Pilz aus Gesteinsmassen erhob sich mehrere hundert Meter in die Luft, um sich dann wie eine schwarze Wand in die Stadt hinunter zu wälzen. Über die Entstehung des Brandes gibt es keine Erkenntnisse. Ein möglicher Kurzschluss, aber auch Spekulationen über Sabotage beschäftigen noch heute die öffentliche Diskussion.

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