Als die Zeichen auf Sturm standen

M it starker Farbigkeit und nicht ohne Glück versucht er, ein deutscher Braque zu werden", schrieb 1932 der Kritiker der Berliner Zeitung, anlässlich der großen Kunstausstellung im Schloss Bellevue über ihn.

Ein Braque wurde Fritz Grewenig dann doch nicht, aber ein guter Maler allemal. Dass der 1891 in Heusweiler bei Saarbrücken geborene Künstler dennoch heute weithin vergessen ist, mag viele Gründe haben, verdient ist es jedenfalls nicht. Zumal Rheinland-Pfalz und das Saarland auch dem Lehrer und Kunstförderer viel zu verdanken haben. Im Rahmen seiner jüngsten Ausstellung erinnert jetzt das Städtische Museum Simeonstift mit zwei Arbeiten aus der Trierer Zeit an den zeitweiligen Dozenten und Direktor der Trierer Werkkunstschule (1936-1950). Die beiden Zeugnisse aus den Kriegsjahren sind allerdings nur sehr begrenzt aussagefähig. Sie belegen kaum mehr als den Verlust der Eigenständigkeit in einem totalitären System. In Wirklichkeit war Grewenig einer der interessantesten und profiliertesten Lehrer der Trierer Schule. Schon früh hatte sein Werk im In- und Ausland Beachtung gefunden; als Direktor des Saarbrücker Museums für Neue Kunst hatte er eine internationale Sammlung von Rang zusammengetragen. Persönlichkeiten wie den Picasso-Galeristen Henry Kahnweiler oder den Philosophen Peter Wust zählte er zu seinen Freunden. Mit ihnen pflegte er lebenslang einen geistreichen Briefwechsel. Fritz Grewenig steht aber auch für ein typisches Künstlerschicksal, das bedroht war von der Unkultur einer beschränkten und gewalttätigen Zeit. Wie viele seiner Kollegen musste auch er erfahren, dass die künstlerische Vision das eine, die praktischer Daseinsbewältigung das andere ist. Die Kunst war Grewenigs Wagnis. Wenn ihm in seinen späten Jahren sein Freund Peter Wust schreibt: "Ich liebe wie Sie das große fruchtbare Chaos der Gegenwart. Diese ganze Welt feiger Bänglichkeit muss einmal zerschlagen werden", so klingt das nach Aufbruch und Zeitenwende. Allerdings: Der Ort der Erhebung blieb für den einen die Philosophie und für den anderen das freie Reich der künstlerischen Fantasie. In der brutalen Wirklichkeit galt es, den erbarmungslosen Kampf ums eigene Überleben und das der Familie durchzustehen. Sich arrangieren, ohne sich aufzugeben, hieß die beste der schlechten Möglichkeiten. Für die Beurteilung von Fritz Grewenig zählt allerdings ungleich mehr. Zu Recht haben ihn Bund und Land im Alter mit hohen Ehren ausgezeichnet. Bei seinem Tod - 1974 in Trier - ging ein erinnerungswürdiges reiches Künstlerleben mit Höhen und Tiefen zu Ende. Als Fritz Grewenig zusammen mit seinem jüngeren Bruder Leo und anderen Saarländern damals im hauptstädtischen Berlin ausstellte, war das für ihn der Anfang eines vorläufigen Endes. Zwar hatte ein Großteil der Presse die Kraft seiner Farben, sein Gefühl für Komposition und seinen weltoffenen Blick gelobt. In den Wohlklang mischten sich indes unüberhörbar Misstöne. Das rechte vaterländische Feuer vermisste manch kritischer Eiferer in Grewenigs "nach Paris schielender Westkunst". Und auch der Vergleich mit dem Franzosen George Braque war eher gefährlich in einer Zeit, in der Kunst zum Überleben immer häufiger den Nachweis ihres Deutschtums führen musste. Keine Frage: Die Zeichen standen auf Sturm. Schon im Vorfeld der Schau im Schloss war es zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Über 40 Bilder waren bereits vor der Eröffnung als entartet durch die preußische Bau- und Finanzdirektion entfernt worden. Doch nicht genug damit: Ein Großteil der gezeigten Arbeiten trat nie mehr die Heimreise an - darunter zahlreiche Bilder Grewenigs, die bis heute verschollen sind. Ein Jahr später ist es so weit: Auf Betreiben der Nationalsozialisten wird der Maler als Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes im Saargebiet abgesetzt. Immer häufiger werden seine Bilder bei Ausstellungen abgewiesen. 1936 schließlich wird die Staatliche Kunst- und Kunstgewerbeschule Saarbrücken, die Grewenig leitet, aufgelöst. Grewenigs große Liebe, das Staatliche Museum für Neue Kunst und seine wertvolle Sammlung, wird dem Saarbrücker Heimatmuseum einverleibt. Grewenig verliert seine Stelle als Direktor und alle anderen Funktionen. Dass er schließlich eine neue Stelle an der "Meisterschule des Deutschen Handwerks in Trier" findet, verdankt er wohl seinem Freund, dem Mettlacher Porzellanfabrikanten von Boch. In Zusammenarbeit mit dessen Werken unterrichtet Grewenig künftig in Trier keramische "Mosaikkunst" und später "dekorative Kunst". Wer hätte das 20 Jahre früher vorausgesehen? Scheinbar unaufhaltsame Erfolgsgeschichte Angefangen hatte damals alles als eine scheinbar unaufhaltsame Erfolgsgeschichte, in der ein junger Mann, dessen "Dickschädel" keinen Widerstand zu scheuen schien, alles daransetzte, um seinen Traum von der Kunst durchzusetzen. Die Liebe zu ihr war im väterlichen Dekorationsmaler-Atelier in Heusweiler erwacht. Dessen Masken und Schaufensterpuppen bevölkern noch in den 30er Jahren die Bilder des jungen Malers. Es folgen Malunterricht, Studienreisen und ein Studium an der angesehenen Dresdener Kunstakademie. 1922 hat es Grewenig geschafft. Die Neue Münchner Sezession nimmt seine Bilder an, das Jahrbuch der jungen Kunst reproduziert seine Arbeiten, die renommierte Kunstzeitschrift "Cicerone" berichtet über ihn. Die beiden bedeutendsten Kunsthändler der Zeit, Cassirer in Berlin und Caspari in München, richten ihm Ausstellungen aus. Inzwischen hat Grewenig seine eigene private Schule für Bildende Kunst, die 1924 in die "Staatliche Kunst- und Kunstgewerbeschule Saarbrücken" umgewandelt wird. Ein Jahr darauf ist Grewenig Professor. Noch ein Jahr später erhält er - neben der Schulleitung - den Auftrag, als künstlerischer Leiter des Staatlichen Museums für Neue Kunst in der Saarmetropole eine Sammlung aufzubauen. Der weltläufige Grewenig schafft, was nach Ansicht eines Chronisten seit dem Barock niemand mehr geschafft hat. Er macht die saarländische Stadt im Westen zu einer blühenden Kunststadt. "Was waren das für Zeiten", erinnert sich später der Kunstkritiker Will Grohmann. "Saarbrücken war für mich nur ein Katzensprung von Dresden." Grewenig sammelt Braque und Kandinsky. Bei Kahnweiler in Paris kauft er den ersten Picasso. Er stellt Nolde, Klee, Heckel und Hofer aus. Renommierte Kunstkritiker und Kunsthändler sind bis zum Ende 1936 regelmäßig bei ihm zu Gast. Grewenigs Übersiedlung nach Trier im selben Jahr gleicht auch künstlerisch einer inneren Emigration. Hatte der Künstler bis dahin eindrucksvolle expressionistisch gefärbte und hintergründig surrealistische Bilder gemalt, so zieht er sich künftig auf harmlose Blumen und volkskundliche Genrebilder zurück. Sein Kampfgeist ist dennoch nicht gebrochen. Gleich nach dem Zusammenbruch beteiligt er sich tatkräftig am Aufbau der stark beschädigten Werkkunstschule und organisiert 1945 die ersten Trierer Kulturwochen. 1955 wird er als Professor an die "Landeskunstschule" (heute Fachbereich Bildende Kunst) in Mainz berufen. Auch die Versetzung in den Ruhestand 1955 bedeutet kein Ende. Im Gegenteil: Noch einmal scheint jenes entschlossene Malertalent zu erwachen, dessen Kraft einst fasziniert hatte. Nicht nur, dass er sich der Glasmalerei zuwendet und neben anderen Fenster für die Trierer Pauluskirche entwirft. In jenen späten Jahren entstehen Industriebilder, die zum Besten gehören, was Grewenigs Lebenswerk vorzuweisen hat. In ihnen verdichten sich die alten Malertugenden von einst zu einer Bilderwelt aus Ordnungskraft, dem Gefühl für Farbe und einem untrüglichen Gespür für das Wesen und die Zeichen der heimischen saarländischen Landschaft. Zeitlicher Abstand ermöglicht Gerechtigkeit. Es wäre unbedingt wünschenswert, Fritz Grewenig bald in einer Ausstellung umfassend zu würdigen. (jöl/no) Eva-Maria Reuther

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