Antworten, die Deutschland bewegen

Frank Wallenta ist Pressesprecher der Generalbundesanwältin

Frank Wallenta sitzt in einem Sessel des Hotelfoyers. Auf seinem linken Knie ein Handy, auf seinem rechten ein anderes. "Das hier ist ganz neu", sagt er entschuldigend und hält das rechte hoch. Deshalb sind die Nummern noch nicht gespeichert. Er guckt auf das linke, wählt mit dem rechten und als er dann endlich jemanden am Apparat hat, ist es der falsche. Verwählt. Eigentlich wollte er mit der Pressestelle des Bundesgerichtshofes sprechen. Die muss nämlich in diesem Moment ohne ihn auskommen, weil der Oberstaatsanwalt mit seiner Chefin Monika Harms von Karlsruhe zu den Bitburger Gesprächen nach Biersdorf an den See gereist ist.Beim nächsten Anruf klappt es. Schon nach wenigen Worten seines Kollegen wendet Wallenta nach vorne gebeugt sein Gesicht ab und antwortet: "Ach du meine Güte, ja, hm, der ist oft irgendwo in Afghanistan Ach du grüne Neune Davon weiß ich ja noch gar nichts " Durch das Foyer nähert sich Generalbundesanwältin Monika Harms. Sie steuert direkt auf ihren immer noch ins rechte Telefon raunenden Pressesprecher zu.

"Aha, weiß die Presse mal wieder mehr als wir"

Doch als der sich ihr zuwendet, ist die Katastrophenstimmung vorerst verflogen. Die beiden scherzen. Schließlich sagt Wallenta, es gebe Neuigkeiten - eine Anfrage des "Focus". Was dran sei, könne er noch nicht sagen. "Aha, weiß die Presse mal wieder mehr als wir", sagt Harms lachend. Wallenta zuckt die Schultern.

Selbst wenn er gewusst hätte, was Sache ist, hätte er vermutlich in diesem Moment nicht viel gesagt. Denn schließlich sitzt neben ihm schon die ganze Zeit eine Lokalreporterin. Sie hat den gebürtigen Baden-Würtemberger und ehemaligen Trierer zu einem Interview breitgeschlagen, das der eigentlich lieber nicht geben wollte. Lokalzeitungs-Homestorys, die die Karrieren ehemaliger Einwohner schildern, findet er furchtbar. In so etwas möchte er nicht stecken. Denn mag sein Name auch täglich über den Ticker laufen - Frank Wallenta wirkt nicht wie jemand, der gerne im Vordergrund steht.

Und dann hat er doch zugesagt - vielleicht, weil er der Reporterin ein Interview mit Monika Harms ausschlagen musste. Permanent lägen ihm mehr als zig Anfragen vor. Auch an diesem Tag sind ein Redakteur und ein Fotograf vom "Stern" mit der Generalbundesanwältin auf einen Spaziergang am Bitburger Stausee verabredet. Durch das Panoramafenster des Hotels sieht Wallenta den dreien nach. Vielleicht hat er auch zugesagt, weil er nicht den Eindruck entstehen lassen möchte, die Lokalpresse würde abgebügelt. Denn die will er gleichberechtigt behandeln. Auch wenn es nur selten vorkommt, dass sie sich meldet.

Schließlich geht es in seinem täglichen Geschäft bei der Bundesanwaltschaft neben Revisionsverfahren um Straftaten gegen die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik: um islamistischen Terror, spektakuläre Festnahmen, die Nachwehen der RAF-Attentate, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Schmuggel atomaren Materials, Spionage Rund 20 Journalisten rufen täglich an. Wenn es um Fragen gehe wie: "Stimmt es, dass Brigitte Mohnhaupt frei ist?", klingele auch schon mal um 5.55 Uhr sein Handy. Denn alle wollen diesen einen Satz als allererste rauspusten: "Die Staatsanwaltschaft hat bestätigt, dass " Als ob ein schlaftrunkener Mann wissen könnte, was gerade im Gefängnis geschieht.

Aufregend und letztlich befriedigend waren für Wallenta 2007 die Festnahmen von drei islamistischen Terroristen im Sauerland. Monatelang waren sie rund um die Uhr überwacht worden, ehe die Ermittler zugriffen, als die Verdächtigten einen tödlichen Sprengstoff herstellen wollten. "Ich bin da nachts nicht nach Hause gefahren", sagt Wallenta. Denn ständig gab es neue "Wasserstandsmeldungen", von denen die Öffentlichkeit genau so viel erfuhr, wie Wallenta preisgab.

Auch bei den Koblenzer Kofferbombern hätten die Telefone nicht stillgestanden. Und natürlich bei dem Thema 30 Jahre deutscher Herbst. "Dass die RAF die Öffentlichkeit nach der langen Zeit noch so bewegen würde, hatte ich nicht erwartet", sagt der Oberstaatsanwalt. Da er 1977 erst elf war, musste auch er sich zunächst gründlich in das Thema einarbeiten. Ein Mann, der am 7. April 1977 dabei war, als Generalbundesanwalt Siegfried Buback ermordet wurde, sitzt, während Wallenta sein versprochenes Interview gibt, gleich am Nebentisch und blickt auf den Bitburger Stausee. Er ist heute der Fahrer der Generalbundesanwältin. Doch zurück zu Wallenta: Bevor er 2006 Pressesprecher wurde, war er selbst lange Zeit Ermittler - "ein Staatsanwalt mit Leib und Seele": Jugendstrafsachen, Drogendelikte und organisierte Kriminalität, nach dem 11. September auch Terrorismus. Rund zehn Jahre lang lag sein Hauptwohnsitz in Trier, wo er erst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Trierer Lehrstuhl für Strafrecht war, ehe er zur Staatsanwaltschaft wechselte. Eine Stadt, in der er gerne gelebt hat, umgeben von einer Landschaft, deren Schönheit ihm auf der Herfahrt erneut bewusst geworden ist. Schon während dieser zehn Jahre verbrachte er jedoch viel Zeit in Karlsruhe. Um den Bericht über die Karriere wunschgemäß kurz zu halten. Es ging schnell. Mit 40 wurde er Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof, kurz darauf Oberstaatsanwalt, dann Pressesprecher. "Das hatte ich weder geplant noch erwartet", sagt Wallenta, wirkt dabei ebenso natürlich wie bescheiden, sieht aus dem Fenster und zeigt auf drei Menschen, die am See entlang auf das Hotel zusteuern. "Sie kommen zurück". Das Interview mit dem "Stern" ist beendet. Zeit aufzubrechen. Zurück nach Karlsruhe, wo etliche Journalisten auf seine Antworten warten. Denn Deutschland schien an diesem Tag erneut ins Visier islamistischer Terroristen geraten zu sein. Deshalb hatte Wallenta "Ach du grüne Neune" in sein rechtes Handy geraunt. Doch das erfährt die Lokal-Reporterin erst einen Tag später: "Die Bundesanwaltschaft hat laut ,Focus' nach einer Terrordrohung aus dem Libanon ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ein mutmaßlicher Extremist habe bei der Deutschen Botschaft in Beirut angerufen und Anschläge in Deutschland angekündigt", meldet die Deutsche Presseagentur. Bald darauf folgt die Entwarnung.

Dennoch, großes Kino. Spannend, mal zu sehen, wo solche Nachrichten herkommen. Katharina Hammermann

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