4. August 1914: Es stand im Volksfreund vor 100 Jahren

Trier · Volksfreund-Leser müssen sich auf Verspätungen bei der Auslieferung einstellen, während Krieg zwischen Frankreich und Deutschland ausbricht. Diese und weitere Meldungen, die vor hundert Jahren im Trierischen Volksfreund standen, lesen Sie hier.

 Ein Ausschnitt aus der Ausgabe des Trierischen Volksfreunds vom 4. August 1914

Ein Ausschnitt aus der Ausgabe des Trierischen Volksfreunds vom 4. August 1914

Foto: Scan: Stadtarchiv Trier

Mit einer Mitteilung in eigener Sache wendet sich "der Verlag des ‚Trierischen Volksfreunds‘" am 4. August 1914 auf der Titelseite an die eigene Leserschaft:

"An unsere Leser! Auf mehrseitige Anfrage teilen wir mit, daß die fortgesetzte Bedienung unserer Bezieher durchaus gesichert ist, wenn auch in den Tagen der Mobilmachung infolge der Beschränkung des Postverkehrs und der starken Inanspruchnahme der Eisenbahnen für militärische Zwecke für einzelne Plätze des Umkreises Verspätungen eintreten sollten. […] Bei der starken Beschränkung der Einkäufe in der Zeit des Kriegszustandes, bei dem Mangel an Arbeitskräften infolge der Einberufungen und bei der augenblicklichen Schwäche des Inseratenteils wird der Umfang auch unserer Zeitung sich vorübergehend verringern. Wir werden aber desto bestrebter sein, unsere Leser über das, was ihnen in diesen Tagen am nächsten geht: über den Erfolg der deutschen Waffen, den Kampf um unsere nationalen Güter und über das Schicksal der Unsrigen so gewissenhaft und schnell als möglich zu unterrichten. Unsere Leser werden es auch verstehen, wenn in diesem Tagen unsere Agenten strenger als sonst auf pünktlichen Eingang des Bezugspreises achten müssen."

Der Krieg scheint nicht weit weg - wie eine kurze Agenturmeldung nahelegt. Demnach sollen "die Franzosen […] den Krieg ohne Kriegserklärung" eröffnet haben:

"W Berlin, 3. August. Während sich noch kein deutscher Soldat auf französischem Boden befindet, haben nach amtlichen Meldungen die Franzosen vor der Kriegserklärung kompagnieweise die deutsche Grenze überschritten und die Ortschaften Gottesthal, Metzeral, Markirch und den Schluchtpaß besetzt. Ferner ist Neutralitätsbruch dadurch begangen worden, daß französische Flieger in großer Zahl über Belgien und Holland nach Deutschland flogen.
W Berlin, 3. August. (Telegr.) Nach amtlicher Mitteilung hatten bisher deutsche Truppen erteiltem Befehl gemäß die französische Grenze nicht überschritten. Dagegen greifen mit gestern französische Truppen ohne Kriegserklärung unsere Grenzposten an.
(…)
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern Nacht nach Baden, Banern und unter Verletzung der belgischen Neutralität über belgisches Gebiet in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu zerstören. Frankreich hat damit den Angriff gegen uns eröffnet und den Kriegszustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt und zur Gegenwehr. Seine Majestät der Kaiser hat die erforderlichen Befehle erteilt, der deutsche Botschafter in Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern. "

Die Kriegsvorbereitungen im Raum Trier gehen weiter. Auf einer außerordentlichen Stadtverordnetensitzung am Vortag "machte der Herr Oberbürgermeister folgende beruhigenden Ausführungen: […]In erster Linie handelt es sich um die Verpflegung unserer Stadt. Ich habe mit verschiedenen Lieferanten Fühlung genommen und dabei gehört, daß Brotmehl in ziemlichen Quantitäten hier vorhanden ist."

In einer außerordentlichen Stadtverordneten-Sitzung am gestrigen Sonntag machte der Trierer Oberbürgermeister folgende beruhigende Ausführungen: '(...) In erster Linie handelt es sich um die Verpflegung unserer Stadt. Ich habe mit verschiedenen Lieferanten Fühlung genommen und dabei gehört, daß Brotmehl in ziemlichen Quantitäten hier vorhanden ist. Wir haben in Uebereinstimmung mit der Finanzkommission unverzüglich weitere Schritte getan, um in den Besitz dieses allernotwendigen Nahrungsmittels zu gelangen. (...) Ich möchte in erster Linie bitten sich einverstanden zu zeigen mit den Maßnahmen, die wir getroffen haben, und ferner, daß wir eine Verpflegungskommission einrichten, neben der Einquartierungskommission (...). Ferner scheint es mir dringend notwendig, die Gesundheitskommission besonders auszustatten. Die Erfahrung aller der letzten Kriege hat gezeigt, daß die größten Verluste entstanden sind durch Krankheiten (...) Trier ist sauber und ich möchte es dieser schweren Stunde sauber halten. Es soll die Müllabfuhr strengstens durchgeführt werden, solange es eben noch geht."

Eine weitere damalige Bekanntmachung des Oberbürgermeisters wirkt für heutige Leser - in Zeiten von Mobiltelefon und Internet - eher befremdlich: "Die zum militärischen Nachrichtendienst benutzen Brieftauben tragen die ihnen anvertrauten Depeschen in Aluminiumhüllen, die an den Schwanzfedern oder an den Ständern befestigt sind. Trifft eine Taube mit Depesche in einem fremden Taubenschlage ein oder wird sie eingefangen, so ist die Depesche unverzüglich (...) auszuhändigen. (...)."

Auch der öffentliche Nahverkehr ist betroffen: "Infolge der Mobilmachung sind vom Fahrpersonal der Straßenbahn vorläufig 40 Mann zur Fahne einberufen worden. Der Straßenbahnbetrieb mußte eingeschränkt werden."

Andere Meldungen klingen hingegen nicht so viel anders als heute, denn Unfälle, Armut und Kriminalität gab es auch vor 100 Jahren schon. Eine kleine Meldung im Lokalteil lautet zum Beispiel: "Die Sanitätswache hat gestern abend einen Arbeiter in das Krankenhaus gebracht, der im Streite einen lebensgefährlichen Stich in die Lunge erhalten hat." In einer weiteren kurzen Meldung geht es um einen Brand: "Die Feuerwache wurde gestern zweimal alarmiert. In dem einen Falle handelte es sich um einen gefährlichen Kaminbrand, in dem anderen um einen Kurzschluss der elektrischen Leitung." Und weiter: "Eine Frau aus Trier hatte sich wegen eines Vergehens gegen das Fürsorgegesetz zu verantworten. Die 16jährige Tochter der Angeklagten sollte in einer Fürsorge-Erziehungsanstalt untergebracht werden. Um dies zu verhindern, verhalf sie dem Mädchen zur Flucht. Das Urteil lautete auf 2 Wochen Gefängnis."

Dass die Triererinnen und Trierer trotz all des Leides hilfsbereit waren, verdeutlicht die folgende Nachricht vom 4. August 1914: "Gestern kam ein Sonderzug mit italienischen Familien hier durch. Die Bewohner vom Gartenfeld haben den Leuten Wasser, Milch u. dergl. gereicht, als der Zug längere Zeit am Hauptbahnhof hielt."

Auch ein Hirtenbrief des damaligen Bischofs von Trier, Michael Felix Korum, wird abgedruckt:

"Geliebte Diözesanen!
Eine schwere, gefahrvolle Zeit ist für das Vaterland herangebrochen. Nach vielen vergeblichen Bemühungen, den Frieden zu erhalten, sieht unser Kaiser sich gezwungen, den Krieg zu erklären und sein Volk zu den Waffen zu rufen. Wie furchtbar ist der Krieg, an welchem große, mächtige Nationen, mit allen Mitteln der Verwüstung, mit unzählbaren Scharen auf den Kampfplatz treten! Wie viele teure Leben werden dem Tode ausgesetzt, wie viele liebende Herzen von Müttern, Gattinnen und Kindern zittern in schmerzlichem Bangen!
(…)
Verordnungen:
Für die Dauer des Krieges bestimmen wir folgendes:
1)Auf allerhöchste Anordnung soll am Mittwoch, den 5. August ein außerordentlicher Bettag gehalten werden.
(…)
2)Während der Dauer des Krieges sollen wöchentlich 2 Segenandachten für den Sieg unseres Heeres und zur baldigen Herbeiführung des Friedens gehalten werden. In gleicher Meinung soll täglich nach den hl. Messen das Allgemeine Gebet gesprochen werden.
(…)"

Ebenso beschäftigt man sich mit der Gesundheitspflege der Feldsoldaten.

"Es ist lehrreich, sich vergegenwärtigen, wie viele Opfer die letzten Kriege durch Todesfälle an Krankheiten gefordert haben. Man erwartet von dem Aufschwung der Gesundheitspflege in ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis und den darauf gegründeten sanitären Maßnahmen, daß die Verluste von Feldtruppen durch Krankheiten jetzt nicht mehr annähernd so groß sein können wie in den früheren Zeiten. Dies Vertrauen wird sich in gewissem Grade als berechtigt erweisen. Hat doch sogar die Cholera während des letzten Balkankrieges seinen bedrohlichen Umfang erreicht.
(…)
Daß in dieser Richtung viel erreicht werden kann, haben bereits die Japaner in ihrem Sieg gegen Rußland 1904/1905 bewiesen. Sie büßten damals 58887 Soldaten in den Schlachten und Gefechten ein, dagegen nur 27158 durch Krankheit. Das ist wohl der erste Fall gewesen, in dem ein Krieg um die Hälfte weniger Opfer durch Krankheit als durch Waffen gefordert hat.
(…)"Weitere Meldungen


"Fünf junge Leute aus dem Landkreise Trier haben ohne Erlaubnis das Bundesgebiet in der Absicht verlassen, sich dem Dienste des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen. Das Urteil lautete auf eine Geldbuße von je 160 M., an deren Stelle im Nichtbeitreibungsfalle eine Gefängnisstrafe von 32 Tagen tritt."

"Drei weitere Sachen mussten vertagt werden, weil entweder die Angeklagten oder die Zeugen bereits zu den Waffen einberufen sind. "

"Metz, 2. August: Der Gemeinderat hat drei Millionen für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln bewilligt. "

"Unterstützung der hilfsbedürftigen Familien im Falle der Mobilmachung: Bei den mannigfachen Erörterungen über Krieg und Frieden, über die Aussichten, die Begleiterscheinungen usw. wird naturgemäß auch die Sorge um die Familien der zur Fahne einberufenen Vaterlandsverteidiger nicht vergessen. (…) Liegt nun darin wohl die Bürgschaft, daß, in gewissen Grenzen wenigstens, Not und Elend der armen Familien gelindert wird, so hat doch das Reich seine Verpflichtung erkannt, daß große Opfer mit einem geringen zu entgelten, bei Familien, welcher ihr Oberhaupt, ihre Söhne und Brüder zur Verteidigung von Haus und Herd, der staatlichen Gemeinschaft, hinaus ziehen ließen, auf jeden Fall vor den schlimmsten Entbehrungen zu schützen, oder richtiger wohl: zur Unterhaltung dieser Familien wenigstens einen kleinen Teil beizutragen (…)."

"Bekanntmachung: Die Familien der zum Kriegsdienst einberufenen Mannschaften der Reserve, Landwehr (…) erhalten im Falle der Bedürftigkeit Unterstützung nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes vom 28. Februar 1888. Anträge auf Gewährung dieser Unterstützung sind im städtischen Verwaltungsgebäude, Brückenstr. 95- Zimmer Nr. 11- während der Dienststunden, vormittags von 8 bis 1 und nachmittags von 3-6 Uhr anzubringen. Trier, den 3. August 1914, der Oberbürgermeister von Bruchhausen"

"Unter dem Roten Kreuz: Jeder und alle möchten wenigstens im Dienste des Roten Kreuzes tätig sein. Bei den für Trier geschaffenen Einrichtungen können zunächst ganz ausschließlich nur solche Männer oder Frauen beteiligt werden, die in keiner Weise auch nur irgendeinen Vorteil für Unterhalt, Kleidung oder Schlafgelegenheit zu suchen genötigt sind; jede Tätigkeit muss bedingungslos unentgeltlich und freiwillig angeboten werden können. Aber man muss auch Kenntnisse und Geschicklichkeit mitbringen, die zur Arbeit im Geschäftsbetrieb eines großen Hauswesens und für die Pflege von Kranken usw. zu erfordern sind (…)."

Der Trierische Bauernverein vermittelt Schüler für Erntearbeiten: "Wir vermitteln unseren Mitgliedern zur Hilfe bei den Ernte-Arbeiten Schüler der höheren Lehranstalten aus Trier und bitten diejenigen Mitglieder, welche solche Hilfskräfte gebrauchen, sich sofort schriftlich an den Trierischen Bauern-Verein zu Trier zu wenden. Reisekosten müssen vergütet bezw. rückerstattet werden.

Einquartierung: "Amtlich wird uns mitgeteilt: Für die Einquartierung ist der Hauseigentümer pflichtig. Der Mieter muß aber die der Wohnung zugedachte Belegung aufnehmen und, falls mit Verpflegung zugeteilt, auch verpflegen und kann mit dem Hauseigentümer später abrechnen."

Und für einen Haushalt wird per Anzeige ein "Dienstmädchen, das auch etwas Servieren kann, gesucht. Lohn: 20 bis 25 Mark".

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