Seit knapp einem Jahr schreibe ich Briefe. Die ersten drei Brieffreunde habe ich über das Internet kennen gelernt. Ich wollte für jede erste Ziffer der Postleitzahl eine Brieffreundin haben. Mittlerweile habe ich dieses Ziel erreicht und möchte in jedem europäischen Land jemanden kennen lernen.Die meisten Brieffreunde habe ich über Freundschaftsbücher (FB's) kennen gelernt Das sind kleine, selbst gebastelte Bücher, die von Brieffreundin zu Brieffreundin geschickt werden. Jede Brieffreundin schreibt ihre Adresse und ihr Alter hinein und schickt es dann weiter. So bekommt man die Adressen von anderen, die Brieffreunde suchen.Diese Bücher sind bei Brieffreunden international bekannt und dadurch habe ich auch viele Brieffreunde aus anderen Ländern kennen gelernt: aus Litauen, Finnland, Amerika und vielleicht auch bald aus Malaysia.Andere Länder, andere Schreibstile

Der Schreibstil der verschiedenen Länder ist sehr unterschiedlich. Europa und die USA verzichten fast völlig auf Höflichkeitsfloskeln.Man bedankt sich meist nur am Anfang des Briefes für den letzten Brief oder fragt kurz, wie es geht. In den afrikanischen und asiatischen Ländern wirkt ein Brief ohne Höflichkeitsfloskeln äußerst unhöflich. Die erste Seite des Briefes wird fast völlig damit ausgefüllt. Man erkundigt sich nicht nur ausführlich, wie es dem anderen geht, sondern informiert sich auch nach der Familie und den Freunden und natürlich bedankt man sich überschwänglich für den netten letzten Brief.Natürlich gibt es nicht nur angenehme Brieffreunde. Manche Jungs aus ärmeren Ländern bedrängten mich nach einigen Briefen, dass sie mich heiraten möchten. Es ist ihnen sogar egal, dass ich schon vergeben bin. Wenn ich sie dann endlich davon überzeugt habe, dass eine Heirat unmöglich ist, wollen sie meist Geld. Aber nicht jeder Brieffreund aus Afrika ist so. Mit manchen kann man richtig gute Brieffreundschaften pflegen.Was man alles in einen Brief schreibt? Für viele erscheint es sicher unmöglich, Woche für Woche seitenlange Briefe zu verfassen.Eigentlich ist es ganz einfach. Seit ich Briefe schreibe, werden es meist sechs Seiten. Je nach Brieffreundin sogar mehr.Wir schreiben über Probleme aller Art, über Erlebnisse, beantworten unsere Fragen und manchmal philosophieren wir über Gott und die Welt. Tierschutz, Abtreibungen, Krieg und Tod. Brieffreunde schreiben über alles.Für mich ist Briefe schreiben wie Tagebuch schreiben. Klar könnte ich auch mit meiner Freundin darüber reden, aber bei manchen Problemen ist es einfacher, sich an entferntere Freunde zu wenden. Anne Frank, das berühmte jüdische Mädchen, das sich vor den Nazis verstecken musste, nannte ihr Tagebuch Kitty. Es war wie eine Brieffreundin für sie. Ich habe den Vorteil, dass auf meine niedergeschriebenen Gefühle eine Reaktion folgt. Kitty heißt bei mir Steffi, Fee, Ditte, Nathalie oder Ines. Viele meiner Brieffreunde sind mittlerweile richtig gute Freunde geworden, die ich nicht mehr missen möchte. Diese Brieffreundschaften sind sehr lehrreich. Nicht nur mein Englisch ist besser geworden sondern auch meine Kenntnisse über fremde Länder und ihre Sitten. Durch Freundschaften lernt man einfach lieber als durch Bücher.Natürlich sind Briefe teurer und langsamer als E-Mails, aber es ist ein wundervolles Gefühl, an den Briefkasten zu gehen und neben unangenehmen Rechnungen schöne Briefe von guten Freunden zu finden. Wer freut sich nicht, wenn andere an ihn denken?