Baustelle im Gehirn

TRIER. Jeder, der halbwüchsige Kinder hat, kennt das: Irgendwann verhalten sie sich nicht mehr so, wie wir es von ihnen gewöhnt sind, sondern irgendwie fremd. Dann ist es so weit; der Sohn oder die Tochter befindet sich in der Pubertät, die als eine der schwierigsten Entwicklungsphasen gilt.

Hat man ein Kind im Alter zwischen elf und fünfzehn Jahren und erwähnt das vor anderen, kann man sich des Mitleids seiner Mitmenschen sicher sein. Kommentare wie "Na, dann mach' dich auf etwas gefasst!" oder auch "Viel Spaß dann", sind dann nicht selten zu hören. Was passiert mit Jugendlichen in diesem Alter? Man kann sich das so vorstellen, dass sich das Gehirn von hinten nach vorn entwickelt. Ein Teil des Gehirns bildet sich fertig aus und dieser Teil ist zuständig für Planung, gedankliche Kontrolle, Unterdrückung von Impulsen, Abwägen von Konsequenzen, Motivation, Wertehaltung und Entscheidungsfindung. Das heißt, da, wo eigentlich logisch gedacht werden soll und Impulse gesteuert werden, herrscht plötzlich das reine Chaos.Notorische Vergesslichkeit

Der Biologe und Hirnforscher Dr. Detlef Müller-Greis nennt es "eine riesige Baustelle" und erklärt, dass so zumindest die notorische Vergesslichkeit der Teenager zu erklären ist und dass emotionale Signale anderer wesentlich schlechter verarbeitet werden als sonst. Emotionen können nur schwer oder falsch gedeutet werden, gleichzeitig suchen die Jugendlichen aber aktiv nach Erfahrungen, die intensive Gefühle auslösen. Die Phase der Pubertät ist so nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Teenager schwierig. Denn sie erleben sie als eine Zeit der Unsicherheit, eine Zeit der großen Sprünge von der Kindheit in das Erwachsenenalter. Sie bewegen sich vor und zurück, mit einer Spontanität, die die Jugendlichen selbst nicht begreifen. Innere und äußere Veränderungen stürzen sie in Unruhe, die sie nicht nur anzunehmen lernen müssen. Aus ihnen erwachsen auch die Fragen "Wer bin ich?", "Welchen Sinn hat das Leben?", "Wo ist mein Platz in dieser Gesellschaft?". Die Suche nach einer Antwort darauf bildet die Grundlage der Jugendlichen auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Andererseits gibt es auch in dieser Phase der Entwicklung Ihres Kindes schöne Augenblicke. Da scheint durch, dass Ihr Kind zu einem Erwachsenen heranreift, auf den Sie stolz sein können. Die Grundlage für eine Eltern-Kind-Beziehung, die Sie bereits in den ersten Lebensjahren geschaffen haben, trägt Früchte. Sie werden dann - vielleicht mit Erstaunen - bemerken, dass Ihr Kind zu einem ebenbürtigen Partner heranwächst, der Ihnen mit neuen Vorstellungen und Ideen begegnet, die Sie nicht nur herausfordern, sondern auch bereichern. Welche Tipps kann man Eltern mit Kindern in der Pubertät geben? Verständnis, Toleranz und Vertrauen, sollte für die Jugendlichen in dieser Altersphase aufgebracht werden. Wenn sie bei ihrer Tochter oder ihrem Sohn etwas erreichen wollen, dann motivieren Sie sie nicht durch die Androhung von Sanktionen, sondern durch Bestätigung einer Leistung, die sie oder er erbracht hat. Loben Sie sie für jede Kleinigkeit, die gut gemacht wurde. Im Guten wie im Schlechten sollten Sie mit kurzfristigen Konsequenzen arbeiten und nicht mit späteren Folgen eines Verhaltens drohen. Machen Sie Ihrem Kind Freizeitangebote, mit denen es sich identifizieren kann, die seinen Interessen und Neigungen entsprechen. Die Autorin leitet eine Praxis für Psychotherapie und Mediation in Saarburg ( www.ina-simon.de). Sie schreibt regelmäßig für den Trierischen Volksfreund. Haben Sie Fragen zum Thema? Senden Sie uns eine E-Mail: familie@volksfreund.de

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