Bunte Gedanken gegen den Schmerz

Neun von zehn Jugendlichen wissen, wie sich Kopfschmerzen anfühlen. Hilfe für chronisch betroffene Kinder bietet das Training "Stopp den Kopfschmerz" in der Villa Kunterbunt in Trier. Es gibt in acht Wochen den jungen Teilnehmern Informationen an die Hand, um zu lernen, mit dem Schmerz umzugehen. Es drückt und hämmert im Kopf. Zwei bis dreimal die Woche plagten Inga Turbing heftige Kopfschmerzen. Schlecht gelaunt sei sie, wenn sich urplötzlich eine Attacke anbahnt. Seit zwei Jahren hat sie massiv damit zu kämpfen. Wenn die Schmerzen auftauchen, bleiben sie bis in die Nacht, manchmal sogar bis zu drei Tagen. Doch seit Januar geht es Inga besser. "Jetzt habe ich nur noch zwei- oder dreimal im Monat Kopfweh." Geholfen hat ihr das Training "Stopp den Kopfschmerz" in der Villa Kunterbunt in Trier. Teilnehmer aus der ganzen Region

 Hilfe gegen das Hämmern im Kopf: Mit der Bierdeckelmassage, bei der die Kartons mit leichten Druck auf dem Körper verteilt werden, entspannen Kira Probst und Trainerin Silke (von links) Krieger Jana Kaspar und Inga Turbing. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Hilfe gegen das Hämmern im Kopf: Mit der Bierdeckelmassage, bei der die Kartons mit leichten Druck auf dem Körper verteilt werden, entspannen Kira Probst und Trainerin Silke (von links) Krieger Jana Kaspar und Inga Turbing. TV-Foto: Mechthild Schneiders



Die Zehnjährige aus Saarburg ist eines von sechs Kindern, die freitags mit Psychologin Silke Krieger Strategien gegen den Schmerz entwickeln. Anleitung dazu liefern die Kursmaterialien von Techniker-Krankenkasse (TK) und Universität Göttingen. Sieben Module hat das Gruppen-Training, das in acht Wochen absolviert wird. Die jungen Teilnehmer kommen aus der ganzen Region: So reist Jana Kaspar (10) aus Kelberg an, Lisa Har becke (8) aus Immerath und Kira Probst (9) aus Bernkastel-Kues.

Auch die Eltern sind in den Kurs eingebunden, unterstützen ihre Sprösslinge beim Training zu Hause. "Inga bekommt Kopfweh, wenn sie viele Termine hat und Ruhepausen fehlen oder wenn sie zu wenig getrunken hat", weiß ihre Mutter Evi Pauly (42), weil Inga seit 2007 ein Kopfschmerztagebuch führt. Die Gymnasiastin spielt Fußball, Klavier, tanzt in der Garde und ist Messdienerin. Inzwischen verzichtet sie auf zu viel Aktivität: "Ich lasse lieber etwas ausfallen, bevor ich mich quäle."

Vorab klärt Schmerztherapeut Dr. Lorenz Fischer vom Mutterhaus ab, ob organische Ursachen vorliegen. Das ist bei Inga nicht der Fall, sie hat Spannungs-Kopfschmerz.

Dabei verkrampfen - anders als bei Migräne - Nerven und Muskeln. Die Schmerzursachen und möglichen Auslöser lernen die Kinder im Kurs zu erkennen. Auch Selbstsicherheit, Lösungsstrategien für Probleme, positives Denken, Ablenkungs- und Entspannungsübungen sind Bestandteil des Trainings, bei dem Fif und der Kopfschmerzdrache Drak den Kindern helfen, eine Mauer gegen den Schmerz zu errichten.

"In der Schule versuche ich, mich abzulenken", erklärt Inga. "Wenn ich nicht dran denke, wird der Schmerz nicht so schlimm. Und ich wandle schwarze Gedanken in bunte um. "Zu Hause lege sie sich hin, verdunkle das Zimmer und höre Entspannungsmusik. Das mache sie selbstständig, lobt ihre Mutter.

Seit ihre Tochter die Gruppe besuche, fokussiere sie sich nicht mehr auf die Schmerzen. "Ihre Einstellung hat sich geändert." Auch Kevin Weishaar (10) aus Trier geht jetzt souverän mit dem Kopfschmerz um: "Es gibt Sicherheit zu wissen, dass man was dagegen tun kann."

Kopfschmerzen bei Kindern hätten wesentlich zugenommen in den vergangenen Jahren, berichtet Fischer. "Rund 20 Prozent aller Grundschüler sind behandlungsbedürftig." Bis zum Ende der Schulzeit hätten 90 Prozent aller Jugendlichen Kopfschmerz-Erfahrung. Grund sei die zunehmende Verdichtung des Lebens in Schule und Freizeit.

In den Gruppen lernen die Kinder, mit ihren Schmerzen umzugehen. Die Ergebnisse, das zeigen die bislang insgesamt 29 Kurse seit 1999, seien positiv. "Bei rund zwei Drittel aller Kinder tritt eine nachhaltige Besserung ein", sagt Fischer.

Rund 10 Prozent seien kopfschmerzfrei. Inga hatte eine gute Woche - ganz ohne Kopfschmerzen.

Extra

Die Kinderkopfschmerzgruppe in der Villa Kunterbunt richtet sich an Kinder zwischen acht und 14 Jahren mit Migräne oder Spannungskopfschmerz. In acht Wochen werden Ursachen und Lösungen bei Kopfschmerzproblemen altersgerecht behandelt und die Kinder und Jugendlichen in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen. Ziel des Trainings ist es, Kopfschmerz bei Kindern zu lindern und gleichzeitig den Medikamentenkonsum zu reduzieren oder gar überflüssig zu machen. Das Training hat Professor Birgit Kröner-Herwig von der Universität Göttingen in Kooperation mit der TK speziell für Kinder entwickelt. Das Trierer Mutterhaus bietet die Kurse seit 1999 an, seit 2007 in der Villa Kunterbunt. (mehi)

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