Chronologie: Die Betrugsaffäre in der HWK Trier

(woc) Gefälschte Abrechnungen, massive Fehler bei der Weiterbildung, Subventionsbetrug, Unterschriftenfälschungen, fristlose Kündigungen und Strafanzeigen: Im Umweltzentrum der Handwerkskammer Trier gibt es offenbar massive Missstände. Wie sich die Betrugsaffäre in den vergangenen Monaten entwickelt hat, zeigt unsere Chronologie:

 Noch liegen viele Vorgänge in der Handwerkskammer im Dunkeln. TV-Foto: Christiane Wolff

Noch liegen viele Vorgänge in der Handwerkskammer im Dunkeln. TV-Foto: Christiane Wolff

Mitte September: Dem TV werden Hinweise auf massive Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen, Dienstleistungsverträgen, Auftragsvergaben und der Weiterbildung im Umweltzentrum der Handwerkskammer zugetragen. Die HWK erfährt von den Recherchen des TV und startet einen Rundruf unter den Kursteilnehmern des betroffenen Weiterbildungskursus. Dabei wird den Teilnehmern nach TV-Informationen nahegelegt, sich nicht an die Presse zu wenden. Gleichzeitig bietet die HWK ihnen an, dass das UWZ ihre Adressen potenziellen Kunden weiterreicht.

Anfang Oktober: B., damaliger Leiter des Umweltzentrums der HWK, versucht in mehreren Telefongesprächen mit dem TV, Einfluss auf die Recherchen zu nehmen. Ein Angestellter der HWK, der in die Betrugsfälle offenbar maßgeblich verwickelt ist, wird fristlos entlassen.

18. Oktober: Hans-Hermann Kocks, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, weist den TV auf den möglichen schweren Schaden hin, den eine Berichterstattung für die Kammer bedeuten würde. Weiter räumt Kocks "Rückflüsse" zwischen einem UWZ-Mitarbeiter und zwei Dozenten ein.

23. Oktober: Der damalige Leiter des UWZ versucht erneut, die TV-Recherchen zu beeinflussen. In der gleichen Woche wird er auf unbestimmte Zeit krank geschrieben.

29. Oktober: Mitarbeiterversammlung im Umweltzentrum: Kocks und sein Stellvertreter, Josef Adams, warnen laut mehrerer interner Quellen ihre Mitarbeiter nachdrücklich davor, Informationen über den Betrugsfall an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.

13. November: Gütetermin vor dem Trierer Arbeitsgericht. Der wegen Betrugsverdacht fristlos entlassene HWK-Mitarbeiter klagt auf Wiedereinstellung. Die HWK sei in alle Machenschaften eingeweiht gewesen, begründet seine Anwältin. Die Kammer beschuldigt ihren für die Weiterbildung verantwortlichen Ex-Mitarbeiter, zusammen mit zwei Dozenten Abrechnungen über 16400 Euro gefälscht zu haben. Strafanzeige hat die Kammer bist dato nicht gestellt.

14. November: Der TV stellt eine detaillierte Anfrage an die HWK zu den Hintergründen der Betrugs und will wissen, warum die Kammer keine Strafanzeige stellt. Die Beantwortung der Fragen verweigert Kocks zunächst mit der Begründung, es handele sich um "Interna". Außerdem gehe er davon aus, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren "eine strafrechtliche Aufarbeitung der Vorgänge erfolgen" werde. Dass eine Straftat schon rein juristisch nicht in einem Arbeitsprozess verhandelt werden kann, thematisiert der studierte Jurist nicht.

20. November: Der TV berichtet unter der Überschrift "Luftrechnungen im Umweltzentrum" über den Betrug und dessen Hintergründe. Am gleichen Tag stellt der TV eine weitere Anfrage an die HWK, Thema: Massive Missstände bei den Weiterbildungskursen. Archiv: www.volksfreund.de/1555744

21. November: Statt einer Antwort auf die TV-Anfrage lädt die HWK kurzfristig zum Pressegespräch. Dabei räumt Kocks nicht nur den Abrechnungsbetrug, sondern auch eklatante Missstände bei den UWZ-Weiterbildungskursen ein. Gewusst habe die HWK-Leitung davon nichts, betont Kocks und kündigt an, dass der erkrankte Leiter des UWZ nicht mehr auf seinen Posten zurückkehren werde. Die HWK wolle die Missstände offensiv aufklären und kündigt an, doch noch Strafanzeige gegen den Ex-Mitarbeiter und die beiden Dozenten zu stellen.

22. November: Aufgrund der TV-Berichterstattung hat die Staatsanwaltschaft von Amts wegen die Ermittlungen aufgenommen. Der Volksfreund berichtet am gleichen Tag unter der Überschrift "Chaotisch und unprofessionell" über Details der eklatanten Fehlorganisation bei den UWZ-Weiterbildungskursen. Archiv: www.volksfreund.de/1557809 und www.volksfreund.de/1558051

24. November: Der TV berichtet unter der Überschrift "Unbekannter Vorgang" über dubiose Dienstleistungsverträge des UWZ auf offiziellem Geschäftspapier der HWK. Die Existenz solcher Verträge hat die HWK bis dahin verneint. Der bereits gekündigte Mitarbeiter und ein weiterer ehemaliger 1-Euro-Jobber der Kammer hätten das Geschäftspapier "missbräuchlich" verwendet. Obwohl der Vertrag auch vom UWZ-Leiter unterzeichnet ist, bestreitet die Kammer-Leitung, von den zweifelhaften Verträgen gewusst zu haben. Archiv: www.volksfreund.de/1559937 und www.volksfreund.de/1559984

28. November: TV-Recherchen ergeben, dass das UWZ ein dubioses Geschäftsverhältnis zu einer selbstständigen Unternehmensberaterin unterhält, die ihr Büro in den geförderten Räumen des Zentrums hat. Weiter ergeben sich deutliche Hinweise auf massive Unregelmäßigkeiten bei der Beantragung öffentlicher Fördergelder für das Kompetenzzentrum der Kammer. Statt die entsprechende schriftliche Anfrage des TV zu beantworten, lädt die Kammer für den nächsten Tag zur Pressekonferenz ein.

29. November: Bei der Pressekonferenz räumt HWK-Präsident Rudi Müller ein, dass es im UWZ "systematischen Betrug" und Unterschriftenfälschungen gegeben habe. Gegen den UWZ-Leiter B. und mehrere Mitarbeiter stellt die HWK Strafanzeige wegen Subventionsbetrugs, B. soll fristlos entlassen werden. Die Existenz fragwürdiger Werksverträge mit der selbstständigen Unternehmensberaterin räumt die HWK ebenfalls ein. Allerdings will die HWK-Leitung weder gewusst haben, dass die Frau ein Büro im UWZ unterhält, noch, dass an sie Aufträge vergeben wurden. Als "externe Prüfer" der Vorfälle setzt die HWK den ehrenamtlichen Leiter der HWK -Schlichtungsstelle, Detlev Böttger, und den Wirtschaftsprüfer der Kammer, Franz Hellinger, ein. Zu einer Stellungnahme vor der TV-Videokamera ist die HWK-Spitze nicht bereit. Archiv: www.volksfreund.de/1565653

1. Dezember: Der TV berichtet über Jahre zurück liegende Missstände bei der Abrechnung von Fördergeldern beim HWK-Projekt "Kompetenzzentrum". Kocks hatte zuvor betont, dass die Untersuchung des Projekts keine Auffälligkeiten ergeben habe. Nach TV-Recherchen sollten dagegen Handwerksmeister Arbeitsstunden gegenzeichnen, die sie nie geleistet hatten. Die aufgeblähten Stundenzettel sollen der Abrechnung von Fördergeldern gedient haben. Archiv: www.volksfreund.de/1566954

6. Dezember: Der TV berichtet über kuriose Blüten, die der Subventionsbetrug im Kompetenzzentrum der HWK getrieben hat: Bei der Abschlussbegehung der Fördergeldgeber musste der Leiter des UWZ offenbar kurzfristig in das HWK-Gebäude umziehen. Auch die Internet-Seite des Komzet wurde pünktlich zum Kontrollbesuch so geändert, dass die Realität den in den Förderrichtlinien angegebenen Umständen entsprach. HWK-Präsident Rudi Müller bestreitet die Vorgänge. Den öffentlichen, repräsentativen Teil ihrer Herbst-Hauptversammlung sagt die HWK kurzfristig ab. Archiv: www.volksfreund.de/1571078

14. Dezember: In einer Antwort auf eine TV-Anfrage vom 30. November schreibt die HWK, dass "entsprechend der Chronologie der Ereignisse" nicht die Presse "die Vorfälle" aufgedeckt habe, "sondern die HWK selbst". Die Staatsanwaltschaft Koblenz, zuständig für Wirtschaftsstrafsachen, hat die Ermittlungen übernommen. "Da jede Form der Medienveröffentlichungen im gegenwärtigen Zeitpunkt den Ermittlungserfolg gefährden würde" lehnt sie die Beantwortung einer TV-Anfrage ab.

8. Januar: Auch beim zweiten Termin vor dem Arbeitsgericht fehlt der fristlos gekündigte Ex-Mitarbeiter der HWK, der für die Weiterbildungskurse des UWZ verantwortlich war. Seine Rechtsanwältin bleibt dabei: Das UWZ sei in den Betrug bei der Abrechnung der Dozentenhonorare eingeweiht gewesen. Archiv: www.volksfreund.de/1595815

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