"Der ganz normale Wahnsinn"

TRIER. Taschengeld - in vielen Familien ein heiß diskutiertes Thema. Wie wird das Problem in einer Familie mit vier Kindern gelöst? Und wie lebt es sich in einer "Großfamilie"? Das erfahren Sie in unserer Serie über die Familie Hansen aus Trier. Wir werden sie regelmäßig besuchen und über den Alltag der Sechs berichten.

"Kommst du mal bitte?" - "Nein." - "Komm mal!" - "Warum denn?!" Die Anwesenheit des Reporters scheint die Kinder nicht unbedingt zu begeistern. Im Mittelpunkt zu stehen, ist nicht ihr Ding. Da kommt es dann schon mal vor, dass die Älteste, Mascha (16), ihrem Alter entsprechend genervt, oder, wie ihre Mutter Andrea Hansen meint, "bockig" reagiert. Eigentlich will sie nichts über sich in der Zeitung lesen, lässt sich daher auch erst gar nicht blicken, bleibt lieber im Zimmer. Was sie dem Zeitungsmann erzählen soll, weiß auch die zwölfjährige Greta nicht so recht. Bruder Felix (13) ist da schon gesprächiger. Er findet es zumindest nicht unspannend, den Alltag seiner Familie in der Zeitung zu lesen. Mathe sei nicht so sein Ding, und die Flutkatastrophe habe ihn schon beschäftigt. Schließlich erzählt er ziemlich offen über häufigen Streit "mit der da" und zeigt mit dem linken Daumen auf seine Schwester Greta, die hinter ihm in der schmucken Küche steht. Mutter Hansen, das Familienoberhaupt, grinst nur. Nesthäkchen Lotta (6), ist an diesem Mittag nicht da.Sechs Personen im Schwarzwaldhaus

Die Hansens wohnen in einem Mietshaus im Norden von Trier, die Häuser wurden bevorzugt an Familien mit Kindern vermietet: großer Garten, viele Bäume und viel Ruhe. "Wir sind eigentlich nichts Besonderes", meinen die Kinder, die nicht verstehen können, was an ihnen so spannend sein soll, dass sich die Zeitung für ihren Alltag interessiert. Doch wenn man das im Schwarzwald-Stil erbaute Haus betritt, in dem früher französische Offiziere gewohnt haben, fällt auf, dass die Hansens keine Familie wie jede andere sind. Auf der überdachten Veranda vor der Haustür steht unter dem Schild "Schuhe ausziehen" ein großer, geflochtener Korb voller Schuhe. Auf den ersten Blick wird klar: Hier wohnt eine "Großfamilie". "Es ist schon komisch, nur weil wir ein paar mehr Kinder als der Durchschnitt haben, stehen wir im Mittelpunkt", wundert sich Andrea Hansen. Sie ist die Familienmanagerin. Ehemann Norbert arbeitet bei der Post, fährt jeden Tag nach Saarbrücken, kommt abends gegen 19 Uhr nach Hause. Die 42-Jährige ist Hausfrau, Mutter und Kinderkrankenschwester, einmal pro Woche hat sie Nachtdienst. Ab und zu müssen auch Opa und Opa als Babysitter ran. "Ich bin echt froh, dass die um die Ecke wohnen und das auch gerne machen", sagt sie. Andrea Hansen ist das Sprachrohr der Familie. Politik sei eigentlich kaum ein Thema beim gemeinsamen Abendbrot. Trotzdem ist Andrea Hansen politisch, auch wenn sie sich lieber als "engagiert" bezeichnet. In Sachen Familienpolitik ist ihre Meinung eindeutig: "Wer macht so idiotische Sachen?", fragt sie immer wieder, wenn sie von ihrem Alltag erzählt: Kinder bekommen im Schwimmbad mit der Familienkarte nur Ermäßigung, wenn ein Elternteil dabei ist. "Idiotisch!" Zuschuss für Schulbücher oder Busfahrten gibt es für die Hansens keine. "Warum?" Andrea Hansen greift auch mal zum Telefon und ruft beim Ministerium in Mainz an. Sie ist - wenn sie sich erst 'mal in Rage geredet hat - nur schwer wieder zu beruhigen. "Du hast sie nicht alle!", bekommt sie dann schon mal von ihrem Mann zu hören.Nur beim Fernseher ist Schluss mit Bescheidenheit

Es gehe ihnen nicht schlecht, aber "große Sprünge können wir nicht machen", saagt sie. Und sie ist stolz, dass sie trotz der "ganz normalen Probleme" ihren drei "pubertierenden Kindern" vermitteln konnte, dass Geld nicht alles ist. Beispiel: Halbjahreszeugnisse. "Obwohl die ganz gut waren, hat keiner die Hand aufgehalten." Streit ums Taschengeld gebe es kaum, zumindest nicht mehr als in anderen Familien. "Die haben gelernt, auch mal zu verzichten." Im Hause Hansen gibt es nur einen Computer, da wird schon mal gestritten, wer am PC sitzen darf. Nur beim Fernseher nutzte die Bescheidenheit nichts. Die drei Ältesten haben jeweils einen in ihren Zimmern. Daher gibt es auch nur selten gemeinsame Sonntagabende vor der Glotze. Hin und wieder machen es sich Mascha und ihre Mutter im Wohnzimmer bequem bei einer Tüte Chips: "Dann schauen wir uns Super-Nanny, Frauentausch oder auch mal einen Tatort an." Spätestens Dann ist der "ganz normale Wahnsinn" mit vier Kindern vergessen. Der TV wird Familie Hansen mehrere Monate begleiten und auf dieser Seite über ihren Alltag berichten. Ihre Meinung zum Thema: familie@volksfreund.de

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