Der Weg zum Bohrer-Führerschein

KONZ. 34 Jahre alt sind die Werkbänke im Werkraum der Hauptschule Konz. Sie haben mehr Jahre auf dem Buckel als das Fach, das hier unterrichtet wird. Aber den Schülern macht der Ausflug in die Praxis sichtlich Spaß.

 Es geht einfacher, als man denkt: Lehrerin Hildegard Zimmer-Packroß zeigt 7d-Schülerin Steffi die Kniffe an der Bohrmaschine.Foto: Hans Krämer

Es geht einfacher, als man denkt: Lehrerin Hildegard Zimmer-Packroß zeigt 7d-Schülerin Steffi die Kniffe an der Bohrmaschine.Foto: Hans Krämer

"Äätsch,wir machen heute Chili con carne". - "Na und, dafür dürfen wir andie Bohrmaschine". Es wird wohl nicht allzu oft vorkommen, dassdie Schüler der 7d sich wechselseitig mit dem Inhalt der nächstenUnterrichtsstunde den Mund wässerig machen. Aber freitags kommtdas schon mal vor. Denn in den letzten Stunden der Woche, freitags von der vierten bis zur sechsten, steht "Arbeitslehre" auf dem Programm. Dann geht es raus aus dem Klassen-Alltag, in die Küche oder in die Werkstatt. Die Arbeitslehre, 1973 als jüngstes Fach zu den "Klassikern" hinzugestoßen, wird in zwei Schwerpunkten angeboten: Technik und Hauswirtschaft. Dazu werden Grundkenntnisse am Computer und in Sachen Wirtschaftslehre vermittelt.

Bevor sich die Schüler ab der 8. Klasse für einen Schwerpunkt entscheiden müssen, lernen sie im 7. Schuljahr alle Bereiche kennen. Und weil man mit 24 Jugendlichen schwerlich kochen oder werken kann, wird die Klasse geteilt.

Fragt man die Schüler, beim wem sie "Technik" haben, lautet die Antwort: "Bei Frau Zimmer-Packroß". Das ist fast so was wie ein Ausdruck von Anerkennung, pflegen die Dreizehnjährigen vergleichbare Fragen doch üblicherweise mit "beim Müller" oder "bei der Meier" zu beantworten.

Mit Bausätzen und Plänen ans Werk

Hildegard Zimmer-Packroß hat den Laden im Griff. Das überbordende Bewegungsbedürfnis unter Kontrolle zu halten, ist im Werkunterricht allerdings auch leichter, gibt es doch unterrichtskompatible Möglichkeiten, sich zu bewegen.

Zurzeit steht die Bohrmaschine im Mittelpunkt des Programms. Die Schüler bauen in mehreren Etappen einen Stiftständer in Form eines Lieferwagens. Es gibt Bausätze und Pläne, und es geht millimetergenau zur Sache.

Wer hier eine nette Bastelstunde vermutet, liegt falsch. Der Unterricht ist gespickt mit Informationen rund um den handwerklichen Vorgang. Welche Formen von Sägen und Bohrern es gibt, wie man eine Markierung "anreißt", welche Sicherheitsvorkehrungen zu beachten sind: Wer hier aufpasst, kann einiges für das künftige Arbeitsleben mitnehmen.

Und natürlich auch fürs Heimwerken. Der Opa von Magnus war Schreiner, da hat man sogar schon mal so einen antike Hand-Bohrwinde gesehen, wie sie die Lehrerin präsentiert. Aber selbst Experten wissen nicht auf Anhieb, dass "dieser komische Klotz, bei dem man schief sägen kann, ohne abzurutschen", fachgerecht "Gehrungsschiene" heißt - ein Begriff, dessen korrekte Schreibweise der Reporter auch erst im Duden nachschlagen muss.

Dass man den Bohrfutterschlüssel für das Befestigen des Bohrers benutzen sollte, leuchtet nicht allen ein. Der Papa daheim macht das immer, indem er die Fassung festhält und das elektrische Drehmoment ausnutzt. Da kräuseln sich der sicherheitsbewussten Lehrerin die Nackenhaare.

Daheim hat fast jeder schon mal "Beinahe-Unfälle" miterlebt. Bei Kevin brachte der Holzbohrer plötzlich das Holzstück zum Rotieren, bei Patrick flog der vergessene Futterschlüssel "wie ein Geschoss durch die Luft". Und sein Namensvetter berichtet amüsiert, wie sich die langen Haare seiner Schwester im Akku-Schrauber verhedderten.

Auf die umfassende theoretische Vorbereitung folgt der sehnsüchtig erwartete praktische Teil. Mit dem großen Standbohrer darf jeder die Bleistift-Löcher in den künftigen Ständer drillen. Hildegard Zimmer-Packroß stellt einen Hocker auf - "für die Kleinen", sagt sie. Also benutzt ihn niemand, auch wenn sich mancher recken muss, um den Stellhebel zu erreichen.

Von wegen "typisch Frau"

Susan, gehandicapt durch einen Sportunfall, tut sich schwer mit dem sperrigen Gerät. "Typisch Frau", tönt einer der Jungs. Gleich danach fällt ihm der Bohrer aus der Fassung - kleine Sünden bestraft der Herr sofort.

Einer nach dem anderen tritt zum Bohren an, der Rest muss angemessen Abstand halten. Fehler werden korrigiert, aber größere Pannen gibt es keine. Wer Theorie und Praxis beherrscht, dem hat die Lehrerin einen "Bohrer-Führerschein" in Aussicht gestellt - offenbar ein begehrenswertes Dokument.

Es dauert, bis alle durch sind, aber der Lärm hält sich in Grenzen. Ab und zu spielt einer Maschinengewehr mit dem Akku-Schrauber, und Meikel träumt von einem Horror-Film mit dem Titel "Der Handwerkskiller".

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