Dicke Frau, dummer Junge

LOSHEIM. Indierock mit intelligenten deutschen Texten: Kettcar aus Hamburg haben eine besondere Beziehung zur Region Trier. Der TV hat sich vor ihrem Auftritt beim "Tag am See" (Samstag, 27. August) mit Gitarrist Erik Langer unterhalten. Beim Festival in Losheim spielen zudem die Fantastischen Vier, die Sportfreunde Stiller, Patrice und viele mehr.

Trier und Hamburg verbindet auf den ersten Blick nicht viel. Hier die Weinberge, die Mosel. Das Wochenend-Angebot, bei dem man selten vor lauter Auswahl ins Grübeln kommt. Die kleine Musik-Szene, Porta, St. Paulin. Und dort die Metropole, der Überfluss an Möglichkeiten. St. Pauli, an den Landungsbrücken raus. Heimat der angesagtesten deutschsprachigen Bands. Kettcar ist nur eine davon, vielleicht die beste. Auf jeden Fall die Trierischste. "Trier ist immer eine Anlaufstelle für uns", sagt Kettcar-Gitarrist Erik Langer. Das war es schon, bevor Schlagzeuger Frank mit einer Triererin zusammenkam. Bevor er "Lucky's Luke"-T-Shirts bei Rock am Ring-Auftritten trug. Und bevor Eriks Opa überraschend an die Mosel zog. "Das muss man sich mal vorstellen", erzählt der Gitarrist. "Mein Opa war ausgewandert, lebte in der Nähe von Miami. Mit Swimming-Pool und allem drum und dran. Dann hat er eine Triererin kennengelernt, die ebenfalls lange in den USA lebte - und nun sind die beiden nach 28 Jahren in Florida nach Deutschland gezogen. Nach Trierweiler." Es gibt immer Überraschungen. "So lange die dicke Frau noch singt, ist die Opa nicht zu Ende" - das ist ein geflügeltes Wort in den USA. Und es ist auch der Titel der ersten Kettcar-EP. Damals - vor rund fünf Jahren - lag für die fünf Hamburger vieles im Nebel. Die Band war damals neu, aber die Kettcar-Vorgänger …But Alive oder Rantanplan hatten zumindest einen so guten Namen, dass Kettcar nicht in leeren Clubs auftreten mussten. In Trier (und - zugegeben - vor allem im Saarland) ist schon damals das Kettcar-Fieber ausgebrochen. Mit dem zweiten Album "Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen" haben Sänger Marcus Wiebusch und Kollegen dann eine Medienpräsenz bekommen, die den Punk-sozialisierten Hamburgern schon selbst ein bisschen unheimlich ist. Tagesschau, FAZ, Süddeutsche, das Magazin der Bahn. Alle berichteten, schrieben. Nicht alle verstanden. "Es ist schon erstaunlich, ich hatte nie gedacht, dass das alles so funktionieren kann. Dass wir eine solche Bandbreite erreichen können, so unterschiedliche Altersgruppen und Szenen", sagt Erik. Das führt dann mal dazu, dass Kettcar mit Silbermond oder Juli im gleichen Atemzug genannt werden, auch wenn sie in etwa so viel verbindet wie Slayer mit Shania Twain: die Sprache. "Es ist komisch, das soll auch nicht überheblich klingen. Aber wir haben sicher andere Ziele als diese Bands, eine andere Vergangenheit und wollen etwas anderes darstellen, auch mit unseren Texten. Da ist es dann nicht einfach, wenn wir mit Bands in einen Topf geworfen werden, die etwas völlig anderes machen", sagt Erik. Dass derzeit einige deutsche Rapper mit rechten Anspielungen zum Erfolg kommen, darin sieht Erik eine Gefahr. "Fler zum Beispiel. Der löst ja fast Belustigung aus, weil er so unendlich dumm herüberkommt. Da hat man das Gefühl, dass das einfach nur ein dummer Junge ist", lästert Erik. "Das wirklich Schlimme ist, dass Manager und Plattenfirmen das noch weiter forcieren. Es ist fast eine Farce, aber eben auch gefährlich." Karten gibt es unter der Tickethotline 0651/7199-996, in den TV-Pressecentern Trier, Bitburg und Wittlich und online unter www.intrinet.de/tickets.

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