Die Geschichte von Poutsches Haus: Susanne Beck erinnert sich an ihren Vater und die Zeit der Weltkriege in Taben-Rodt

Taben-Rodt · Zeitzeugen des Ersten Weltkriegs gibt es fast keine mehr. Manchmal bewahren allerdings deren Kinder die Erinnerungen an die Zeit vor 100 Jahren. Susanne Beck aus Taben-Rodt gehört dieser Generation an. Sie kennt die Geschichte von Poutsches Haus.

 Susanne Beck ist eine gute Erzählerin. Sie kennt auch die Geschichte ihres Vaters Johannes Massem, der im Ersten Weltkrieg in Verdun gekämpft hat. TV-Foto: Rainer Neubert

Susanne Beck ist eine gute Erzählerin. Sie kennt auch die Geschichte ihres Vaters Johannes Massem, der im Ersten Weltkrieg in Verdun gekämpft hat. TV-Foto: Rainer Neubert

Taben-Rodt. Wenn Susanne Beck ihren fünf Enkeln von ihrem Leben erzählt, lauschen diese gespannt. Da geht es darum, wie es in Taben-Rodt früher war, als in "Poutsches Haus" - so wurde im Dorf das Heim ihrer Eltern genannt - trotz der Not in der Nachkriegszeit keiner hungrig die Tür hinter sich schließen musste. Oft reichen ihre Geschichten aber auch noch weiter zurück, bis in den Ersten Weltkrieg. "Mein Vater hat uns immer viel darüber erzählt, wie schlimm, nass und kalt es in Verdun gewesen ist", erinnert sich die 83-Jährige. Zahlreiche Fotos aus alten Zeiten hat sie in mehreren Fotoalben bewahrt. An der Wand hängt eine gerahmte Aufnahme vom "Kasinohof", dem ehemaligen Gasthof, den die Familie Massem einst führte, neben der Bäckerei und dem landwirtschaftlichen Betrieb.
Johannes Massem, 1887 geboren, war ein fleißiger Mann, hatte nach "schlimmen Trierer Lehrjahren" in Taben eine Bäckerei eröffnet, als der Weltkrieg begann. Für einen jungen Mann wie Massem bedeutete das damals den Einsatz an der Front. "Weil er uns später immer so viel über Verdun erzählt hat, sind wir später selbst dorthin gefahren", sagt Susanne Beck, "wir wollten uns danach einen schönen Tag machen, aber es war so furchtbar, die Totenstille, das Beinhaus, dass wir direkt wieder den Weg nach Hause genommen haben."
Johannes Massem konnte das nicht. Er war bis zum Ende des Krieges im Einsatz, überlebte das Grauen, übernahm wieder von den Schwestern die Bäckerei, die diese in der Zwischenzeit am Leben erhalten hatten. Er eröffnete eine kleine Wirtschaft. 1920 heiratete Massem, wurde Vater von sechs Kindern, von denen zwei Jungen früh starben. Ein Sohn fiel im Zweiten Weltkrieg in Ostpreußen.
"Mein Vater hat immer gegen den Krieg gewettert", erinnert sich die Tochter. Das sei vor allem in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs nicht ungefährlich gewesen. "Mein Bruder hat sich immer daran gestört, dass der Vater nicht an den Endsieg glaubte. Und meine Mutter wäre vor Angst fast gestorben, weil er immer den Feindsender im Radio gehört hat. Da haben wir dann immer eine laut quietschende Zentrifuge laufen lassen. Ich musste laut Geige spielen, damit niemand auf der Straße mitbekommen hat, welcher Radiosender in Poutsches Haus läuft."
Aber Susanne Beck hat auch noch andere Erinnerungen. An die Treffen des Vaters mit dessen Bruder zum Beispiel. Dann sei der Krieg immer Hauptthema gewesen. "Der Onkel Nikolaus war im Ersten Weltkrieg in den Karpaten. Der hat geschwärmt, wie freundlich die Menschen dort waren, wie er auf dem warmen Ofen schlafen durfte." Der Krieg und immer nur der Krieg, auch bei den Treffen mit dem ehemaligen Kampfgefährten aus Verdun. "Das war eine dicke Freundschaft." Aber immer wieder kommt die rüstige Seniorin auch auf den Zweiten Weltkrieg zu sprechen. "Ich erzähle meinen Enkeln davon, wie schwierig das war. Wir mussten zweimal Haus und Hof verlassen, haben Vieh und Gut verloren. Das war eine wirklich schwere Zeit."
Ihr Vater sei ein guter Mensch gewesen. "Unser Haus war immer offen für notleidende Menschen. Und der französische Kriegsgefangene, der bei uns einquartiert war, durfte mit uns am Tisch essen, obwohl das verboten war." Einmal sei das verraten worden. "Mein Vater musste 300 Mark Strafe zahlen und hatte dabei noch Glück, dass er nicht eingesperrt wurde." Fortan sei beim gemeinsamen Essen stets die Tür abgeschlossen und für den Notfall der Nebentisch zusätzlich eingedeckt gewesen.
Johannes Massem starb 1969 im Alter von 82 Jahren. "Das war für damalige Verhältnisse sehr alt", sagt Susanne Beck, die selbst zwei Töchter hat. Diese würden ihre Mutter gerne dazu überreden, ihre Erinnerungen aufzuschreiben, diesen Schatz für die Nachwelt zu sichern. Die Geschichte von Poutsches Haus in Taben-Rodt.
volksfreund.de/weltkrieg

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